Ich freue mich sehr, dass die Autorin von „Die Sprache des Lichts“ mir ein paar Fragen beantwortet hat! Meine Fragen habe ich kursiv gesetzt.
Wie sind Sie auf dieses ungewöhnliche Thema für einen Roman gestoßen?
Das ergab sich langsam, Schritt um Schritt. Ich habe ja Englisch und Französisch studiert und war von daher am Thema Fremdsprachen interessiert. Als Wissenschaftsjournalistin hatte ich die Schwerpunkte Linguistik, Kognition und Evolution. In dem Zusammenhang berichtete ich auch über die Suche nach der Ursprache; und zwar in dem Sinne, dass Linguisten durch Sprachstammbäume und Wortrekonstruktionen die erste Sprache der Menschheit wiederfinden wollen. Und am Rande meiner Recherchen stieß ich auf die Suche nach der Sprache, mit der Gott die Welt erschuf, die vor allem im 16. Jahrhundert betrieben wurde. Das fand ich sehr spannend, dass es wirklich einmal Menschen gab, die nach dieser Sprache suchten.
Und dann habe ich an einem Wochenende, an dem ich Langeweile hatte (was für ein Luxus; passiert mir heute kaum noch), an einem Seminar zum Drehbuchschreiben teilgenommen, obwohl ich eigentlich gar kein Drehbuch, sondern wenn überhaupt, vielleicht einmal einen Roman schreiben wollte. Und für dieses Seminar sollten wir am Samstagabend einen Plot entwerfen. An dem Abend gab es auf arte eine Doku über John Dee, den Hofalchemisten von Königin Elizabeth I von England und dessen Suche nach der Gottessprache. Ich fand das einen wunderbaren Stoff für einen Roman, weil das Thema „Fremdsprachen“ so eine ganz andere Tiefe bekam, eine transzendente und existenzielle Note. Also habe ich mich gleich hingesetzt und den Plot skizziert: von einem einsamen Polyglotten, der sich auf die Suche nach der Ursprache begibt, dabei in Lebensgefahr gerät und am Ende Freundschaft, Liebe und seine Aufgabe findet. Im Groben ist der Plot so bestehen geblieben.
Hatten Sie schon vorher Interesse an Dingen wie Chiffrieren und Dechiffrieren?
Nur ein oberflächliches Interesse; ich fand es interessant, weil es etwas Geheimnisvolles hat, mit Sprache zu tun hat und meist in heikle historische Zusammenhänge wie Geheimdienste oder militärische Konflikte eingebettet ist. Aber richtig auseinandergesetzt habe ich mich damit erst beim Schreiben des Romans. Jacob und Magarète haben mich da sozusagen immer tiefer hineingezogen.
Welche Sprachen beherrschen Sie selbst?
Englisch und Französisch habe ich studiert und auch mehrere Jahre in englisch- und französischsprachigen Ländern gelebt (England, USA, Frankreich, französischsprachige Schweiz). Später habe ich die Sprachen als Wissenschaftsjournalistin weiter gepflegt und jetzt als Gymnasiallehrerin unterrichte ich sie. Auch höre ich jeden Tag englisches oder französisches Radio, oft auch Hörbücher. Ich lerne auch bis heute Vokabeln beider Sprachen, zum Beispiel wenn ich beim Bäcker oder im Supermarkt in der Schlange stehe.
Ansonsten hatte ich in der Schule Latein und an der Uni ein bisschen Altgriechisch. Ferner habe ich immer wieder zum Spaß Sprachkurse in allen möglichen Sprachen belegt, aber immer nur kurz, auch um mich in einen vielsprachigen Menschen wie Jacob besser hineinzuversetzen. Dabei waren Sprachen wie Polnisch, Hebräisch, Walisisch, Japanisch, Chinesisch und Gebärdensprache. Aber ich kann keine dieser Sprachen. Es waren nur kurze Einblicke.
Ist Chiffrieren eines Ihrer Hobbys?
Nein. Das einzige, was ich manchmal mache, ist, deutsche Sätze in altgriechischer Schrift aufzuschreiben. Das mache ich, wenn um mich herum Leute sind, die mir auf das Papier gucken können und ich gerade etwas schreibe, was ich für mich behalten möchte.
Ein wenig Gänsehaut habe ich bekommen, als ich feststellte, dass auch John Dee, der ja in meinem Buch vorkommt, genau das auch getan hat. In seinem Tagebuch tauchen immer wieder kleine Passagen in altgriechischer Schrift auf, die aber nur in altgriechischen Buchstaben codiertes Englisch sind. Darin hat er in seinem ansonsten sehr sachlichen Tagebuch seine Gefühle ausgedrückt: wie er zu dem Menschen steht, über den er gerade schreibt zum Beispiel.
In der Ausgabe von John Dees Tagebuch, die ich habe, sind diese Passagen nicht übersetzt/ entschlüsselt. Das war bisher meine erste und einzige kryptologische Leistung, und es hat Spaß gemacht, die Botschaften freizulegen, die jemand vor über 400 Jahren verschlüsselt hat, um seine Gefühle darin zu verbergen und gleichzeitig festzuhalten. Und diese Gefühle, die John Dee da ausdrückt, sind ganz zeitlos. Dadurch war er mir plötzlich ganz nah. Der zeitliche Graben, der uns trennt, schien aufgehoben.
Wie haben Sie sich in das Empfinden eines Menschen eingefühlt, der Klänge sieht – also das Phänomen der Synästhesie erlebt?
Ich habe viel über Synästhesie gelesen und auch Dokus darüber gesehen. Viele Synästhetiker sprechen sehr anschaulich und auch beglückt von dieser Sinnesverknüpfung. Für mich war es sehr interessant, zu erfahren, wie viele unterschiedliche Formen von Synästhesie es gibt.
Jacob hat, wie viele Synästhetiker, mehrere Formen von Synästhesie: Geräusch-Farb-Synästhesie (ein Geräusch, wie z.B. Sprechlaute, löst ein bestimmtes Bild aus); Musik-Farb-Synästhesie (ein Ton löst immer dieselbe Farbe aus; das ist auch mit einem absoluten Gehör verbunden, das Jacob ebenfalls besitzt); Geruch-Geräusch-Synästhesie (ein Geruch löst einen bestimmten Ton aus; Jacob hat das nur bei sehr markanten Gerüchen)
Synästhesie bedeutet, die Welt anders zu erleben und immer auch mit der Verarbeitung dieser Eindrücke beschäftigt zu sein, die andere nicht wahrnehmen.
Und das war mir wichtig bei der Darstellung von Jacob. Er steht immer ein bisschen schief zur Welt, ein bisschen quer. Manches, was evident ist, begreift er nicht, aber anderes, Verstecktes, Verborgenes, begreift er sofort.
Liebe Frau Kramer – herzlichen Dank für diese Einblicke!
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