Ein bisschen ironisch mutet es schon an, dass die beiden ersten in der Liste von ranghohen Militärs der Nazi-Zeit Hitler-Gegner waren: Wilhelm Adam, der Hitler wegen dessen militärischer Unfähigkeit und Grausamkeit ablehnte und Ludwig Beck, der von Ende 1939 an alle Umsturzpläne gegen Hitler unterstützte.
Was legt Gerd R. Ueberschär hier eigentlich vor? Es werden 68 Männer, die zur Zeit des zweiten Weltkriegs ein „General“ im Titel führten – oder „Admiral“ -, vorgestellt. Sie sind nur ein Bruchteil der rund 3100 Männer der militärischen Führung dieser Zeit. Der Aufbau ist immer der gleiche: ein kurzer Lebens- und Karriereabriss, die fälligen Anmerkungen und eine spezielle kurze Literaturliste – auch wenn es eigentlich keine solche Vorgabe gegeben hatte; aber sie ergibt sich ja logisch. Eine Gesamtbibliographie findet sich am Ende des Bandes. Es handelt sich um eine Neuauflage einer Neuauflage: 1988 erschienen die 68 Portraits erstmals; nach den Erkenntnisgewinnen rund um die militärische Führung in den 90er und frühen 2000er Jahren gab es 2011 eine aktualisierte Neuauflage, die nun wiederum erschienen ist.
Ziel war es bereits in der ersten Auflage, verständlich zu machen, wie hohe Militärs agierten, wie weit sie die Nazi-Herrschaft aktiv oder indirekt unterstützten oder auch, wo, in welchen Zusammenhängen sie Widerstand leisteten. War 1988 die Quellenlage zu einzelnen Personen noch so mau, dass das Kurzpotrait in diesen Bänden – die Erstauflage erschien in zwei Bänden – als erste Darstellung gelten mussten, ist die Forschung inzwischen weiter. Trotzdem, so sagt es der Herausgeber Gerd R. Ueberschär in seinem Vorwort zur aktuellen dritten Auflage, können die Portraits immer noch als Grundlage für weitere Forschungen herhalten.
Als militärisch nicht besonders informierte Person fand ich spannend:
- wie viele Ränge es mit „General“ im Titel gibt 😉 (und wie geasagt – es ist nur ein Bruchteil des obersten militärischen Personals …)
- wie militärische Laufbahnen sich so entwickeln können – häufig von der Kaiserzeit über den ersten Weltkrieg bis hin zur Nazi-Diktatur und dem zweiten Weltkrieg – viele nationalkonservativ zu Beginn, in der Nazi-Zeit, besonders im zweiten Weltkrieg gibt es dann die Unterschiede in der Einstellung gegenüber der Nazi-Doktrin und die daraus resultierenden Handlungen
Die Beiträge zu den 68 Männern wurden von 34 Wissenschaftlern verfasst, die international in militärhistorischen Bereichen gearbeitet haben oder arbeiten. Manche setzen die Zeitumstände, denen ihre „Forschungsobjekte“ ausgesetzt waren, als bekannt voraus, andere schildern diese ausführlich. Man bekommt auf jeden Fall auch diesebezüglich noch mal einen Einblick in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die einzelnen Beiträge sind fundierte Darstellungen und geben einen guten Einblick in die beschriebene Person und ihre Umstände – und damit eben auch in die Zeit.
Gerd R. Ueberschär (Hg.): Hitlers militärische Elite. 68 Lebensläufe, Theiss Verlag, Darmstadt, 2015, ISBN: 9783806230383
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