Andrea Behnke hat einen Roman in Einfacher Sprache gechrieben – hm. Es gibt so viel Publikationen, die das nicht drauf stehen haben und derart einfach gestrickt sind … Aber Einfache Sprache ist ja nicht einfach einfach – sie folgt bestimmten Regeln, die das Erfassen des Inhalts erleichtern. Andrea Behnke hat als Autorin bereits Erfahrung mit dieser Sprachform. Und nun hat sie also einen Roman in dieser Form verfasst.
Etwas zum Inhalt des Buchs von Andrea Behnke
Annalena mag ihren Namen nicht – ihre Freundin nennt sie Anna. Das gefällt ihr viel besser – von vorn und hinten dasselbe Wort. Und nächstes Jahr wird sie 33 – so wie ihre Freundin in diesem Jahr. Auch das ist eine schöne Zahl – von vorn und hinten gleich. Anna arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Während ihre Arbeit in einen Kreislauf gehört – sie schleift mit Papier Holz glatt und „Holz, Papier, Holz, Papier“ ist ein Produktionskreislauf, Anna sagt „Kreis“ -, empfindet sie ihr Leben als eckig. 32 ist sie und lebt mit ihrer Mutter zusammen. Sie wird von einer Geburtstagsfeier schon um 11 Uhr abends abgeholt. Sie soll abends nicht allein mit dem Bus fahren. Ihre Mutter kommt ohne Anklopfen in ihr Kinder-Zimmer (ja, so schreibt Andrea Behnke das Wort (und auch andere), denn der Bindestrich macht zusammengesetzte Wörter leichter verständlich).
Doch dann kommen neue Elemente in Annas Leben: Die Frau aus dem Blumenladen im Haus bietet ihr an, bei ihr ein Praktikum zu machen. Statt an ihren freien Tagen frei zu haben, macht Anna nun etwas, das sie freut. Das tut gut, denn ihre Freundin hat mit ihrem Freund so viel zu tun, dass sie für Anna kaum mehr Zeit hat. In ihrer Werkstatt tun sich auch neue Perspektiven auf – so hat Anna auf einmal sogar zwei Freundinnen. Und Pläne.
Am Ende ist da eine andere Anna, eine, die ihrer Mutter sagt: „Setz dich bitte mal, Mama“, um ihr mitzuteilen, dass sich ihr Leben nun grundlegend ändern wird. Es ist immer noch ein eckiges Leben – aber eins, auf das sie sich freut.
Und wie liest sich nun das Buch von Andrea Behnke?
Gerade die erste Seite – der wichtige Einstieg ins Buch – hat eine schon poetische Kraft. Durch die Wiederholungen entsteht ein Rhythmus, so wie die Gedanken eben kreisen, wenn man über etwas nachsinnt. In der Leseprobe können Sie sich davon einen Eindruck verschaffen. Ohne die Leseprobe hätte ich das Buch von Andrea Behnke wohl nicht zur Besprechung in Betracht gezogen, denn ich konnte mir unter Einfacher Sprache nicht so recht was vorstellen. Das einzige, was ich kannte, waren die Seiten der Stadt in, wie ich bisher meinte, Einfacher Sprache – und die fand ich eher abtörnend. Sie sind aber auch in Leichter Sprache verfasst – noch eine Komplexitätsstufe weiter drunter.
Annas Gedanken ziehen mich in ihre Gedanken- und Gefühlswelt. Anna beschreibt ihre Gefühle nacheinander – das lässt Zeit, nachzuspüren: Ja, so kenne ich das auch. Neue Gedanken und Gefühle kommen peu à peu heraus. So kann Anna damit umgehen. Und ich kann neben dem, was Anna wahrnimmt und ausdrückt, auch noch weitere Informationen entdecken – Leerstellen im Text mit meiner Erfahrung füllen.
Ich werde nun nicht ständig Bücher in Einfacher Sprache lesen wollen – aber es war eine wohltuende Erfahrung, das Buch von Andrea Behnke zu lesen. Ich habs auch schon weiter empfohlen. Und meine Buchhändlerinnen auf den Verlag aufmerksam gemacht – Edition Naundob hat sich auf Bücher in Einfacher Sprache spezialisiert. Eine gute Idee.
Andrea Behnke: Glück wächst im Blumentopf, Edition Naundob, Berlin, 2018, ISBN: 9783946185161
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