Gedicht zum Tag – Sehnsuchtslied von Selma Merbaum

Gedicht zum Tag – Sehnsuchtslied von Selma Merbaum
Sehnsuchtslied
Leise schlägst in deinem Lied du einen Ton an -
 und dir ist, als fehlte noch etwas.
 Und du suchst verwirrt bei allen Tönen,
 ob sie dir nicht sagen können,
 wo’s zu finden, wo und wie und wann...
 Doch der eine ist zu blass
 und zu lüstern ist der zweite
 und der dritte ist so voll mit Weite -
 viel zu voll.
 
 Du suchst lange - Moll und Dur und Moll
 werden lebend unter deinen Händen.
 Und dann schlägst du plötzlich eine Taste an,
 und - es kommt kein Ton.
 Und das Schweigen ist dir wie ein dumpfer Hohn,
 denn du weißt es plötzlich ganz genau:
 Dieser fehlt dir. Wenn ihn deine Hände fänden,
 fiele ab von deinem Lied der Bann,
 wär’ das Ende nicht mehr leer und grau.
 
 Und du rührst und rührst die Taste -
 fragst dich, wo hier wohl die Hemmung liegt,
 suchst, ob nicht doch deiner Hände Weiche siegt,
 deine Augen betteln voll Verlangen.
 Kein Ton kommt. Einsamkeit bleibt nun zu Gaste
 in dem Lied, das dir so schwer und süß gereift.
 
 Um den ungespielten Ton wirst du nun ewig bangen,
 bangen um das Glück, das dich nur leicht gestreift
 in den leisen Nächten, wenn der Mond dich wiegt
 und die Stille deine Tränen nicht begreift.
Selma Merbaum

Bisher gibt es noch keine Kommentare

Einen Kommentar hinterlassen