Gedicht zum Tag – Am Turme von Anette von Droste-Hülshoff

Gedicht zum Tag – Am Turme von Anette von Droste-Hülshoff
 Am Turme
  
 Ich steh' auf hohem Balkone am Turm,
 Umstrichen vom schreienden Stare,
 Und lass' gleich einer Mänade den Sturm
 Mir wühlen im flatternden Haare;
 O wilder Geselle, o toller Fant,
 Ich möchte dich kräftig umschlingen,
 Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom Rand
 Auf Tod und Leben dann ringen!
  
 Und drunten seh' ich am Strand, so frisch
 Wie spielende Doggen, die Wellen
 Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch,
 Und glänzende Flocken schnellen.
 O, springen möcht' ich hinein alsbald,
 Recht in die tobende Meute,
 Und jagen durch den korallenen Wald
 Das Walroß, die lustige Beute!
  
 Und drüben seh ich ein Wimpel wehn
 So keck wie eine Standarte,
 Seh auf und nieder den Kiel sich drehn
 Von meiner luftigen Warte;
 O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,
 Das Steuerruder ergreifen,
 Und zischend über das brandende Riff
 Wie eine Seemöve streifen.
  
 Wär' ich ein Jäger auf freier Flur,
 Ein Stück nur von einem Soldaten,
 Wär' ich ein Mann doch mindestens nur,
 So würde der Himmel mir raten;
 Nun muß ich sitzen so fein und klar,
 Gleich einem artigen Kinde,
 Und darf nur heimlich lösen mein Haar,
 Und lassen es flattern im Winde!
 Anette von Droste-Hülshoff 

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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