Anna Woltz ist eine erfolgreiche niederländische Kinderbuchautorin. Für dieses Jahr steht ihr Buch „Alaska“ – deutsche Fassung „Für immer Alaska“ – auf der Liste für den Deutschen Jugendliteraturpreis.
Was erzählt Anna Woltz?
Zwei traumatisierte 13-Jährige treffen aufeinander:
- Sven, der seit einem Jahr unter epileptischen Anfällen leidet.
- Parker, die mit ihrem Eltern einen bewaffneten Raubüberfall in deren Laden miterlebt hat.
In beiden Fällen: überforderte Elternteile:
Sven regt sich über die Fürsorge seiner Mutter auf – wie sein Therapiehund sollte auch sie eine Plakette „in Ausbildung“ tragen, meint er. Ansonsten trauert er seinem früheren Leben hinterher – er war ein erfolgreicher Schwimmer. Jetzt ist er der Freak mit den unkontrollierbaren Anfällen, von denen er gar nichts mitbekommt. Und hat einen Therapiehund, einen reinweißen Golden Retriever, den er nur „Tier“ nennt.
Parkers Vater, der bei dem Überfall eine Schussverletzung abbekommen hat, sitzt nur noch da und starrt auf die schwarz-weißen Bilder der Überwachungskamera im Laden, während die Mutter das Geschäft weiter führt. Die drei kleinen Brüder von Parker spielen nicht nur Soldaten, sie sehen sich als solche und sind nur mit militärischem Vokabular zu bändigen. Parker selbst hat Angst – vor allem vor Männern. Sie weiß genau, wie sich die Anteile von Frauen und Männern bei Raubüberfällen zusammensetzen – Männer verüben diese Art von Verbrechen. Sie ist mit dem einzigen Indiz, das sie hat, die ganze Zeit auf der Jagd nach denen, die ihrer Familie das angetan haben. Hinzu kommt der Verlust ihres Hundes, einer reinweißen Golden-Retriever Hündin namens Alaska, die wegen der Allergie eines der Brüder die Familie verlassen musste.
Die Verbindung ist klar, oder?
Anna Woltz lässt abwechselnd Sven und Parker zu Wort kommen. Beide sind völlig in ihrer Welt gefangen – Epilepsie, Raubüberfall. Doch da ist Alaska. Als Parker klar wird, bei wem ihre Hündin gelandet ist, macht sie sich nachts auf den Weg – und komt mit Sven ins Gespräch. Anfangs weiß er nicht, dass sich unter der Mütze, die das Gesicht verbirgt, die Klassenkameradin steckt, die er vor der versammelten Klasse so lächerlich gemacht hat – als sie vormachte, dass sie ein Lied bellen kann. Eins der Dinge, die sie mit Alaska geübt hatte.
Die beiden gehen nicht sanft miteinander um – beider Verletzungen, auch die, die sich gegenseitig zufügen, sitzen zu tief. Doch im Laufe der Zeit entsteht etwas Neues.
Selbst Parkers Vater taucht nach einer Standpauke seiner Tochter aus seiner Apathie wieder auf.
Wie erzählt Anna Woltz?
In gewisser Weise nimmt mich Anna Woltz auf unspektakuläre Weise mit hinein in die Gefühlswelt der beiden Teens, deren Welt von heute auf morgen in Scherben brach. Ich mag die lakonische Art, mit der Anna Woltz das macht. Viel Dialog und innerer Monolog – das sind die Mittel, mit denen ich in die Figuren schlüpfe. Die Sprache ist dabei nicht zimperlich. Gerade dieser direkte Zugang macht es mir so schwer wie den beiden Kindern, die Veränderungen zu erkennen, wenn sie passieren – ich sehe das Ergebnis. Das Loslassen von Parkers Fixierung auf die Verbrecherjagd an entscheidender Stelle. Dass Sven nicht mehr „Tier“ sagt. Oft ist es – wie im Leben – so, dass die andere Person die Änderung registriert; Prozesse sind so. Das find ich sehr lebensnah.
Anna Woltz hat das schwierige Thema von Verletzungen durch das Leben selbst und durch andere überzeugend und sensibel behandelt.
Anna Woltz: Für immer Alaska, übersetzt von Andrea Kluitmann, Carlsen Verlag, Hamburg, 2018, ISBN E-Book: 9783646921991, Buch: 9783551553782
In der Stadtbibliothek Köln gibt es das Buch und das E-Book.
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