Freunde und Gefährten bei Karl May oder Old Shatterhand und seine Entourage V

Freunde und Gefährten bei Karl May oder Old Shatterhand und seine Entourage V

Karl MayDie komischen Figuren Mays waren mir immer sehr sympathisch, Ihnen auch?

Im Grunde gehören Sam und Halef auch dazu – vom Äußeren her, mit einer Sprachmarotte versehen, wenn ich mich nicht irre, hihihi und bei Halef kommt der religiöse Zwiespalt immer wieder zum Ausdruck mit seinem Satz „Ich werde dich bekehren, Du magst wollen oder nicht!“

Andere Vertreter sind Hobble Frank und Neger Bob, die kuriosen grau-karierten Engländer, die immer wieder auftauchen mit ihren Spleens oder – eher unbekannt – der Diener Hassan aus der Erzählung „Die Gum“, der den Spiritus aus dem Fässchen mit den Tierpräparaten säuft und meint, damit nicht gegen Mohammeds Gebot zu verstoßen. Nach ein paar gemeinsam erlebten Abenteuern heißt es von ihm:

Hassan

 Ich hatte Hassan wirklich als einen ausgezeichneten Führer kennen gelernt, ein Umstand, welcher mich mit seinem Mangel an Mut zur Genüge aussöhnte. Er kannte nicht nur die Wege genau, sondern verstand es, alle seine Vorkehrungsmaßregeln so zu treffen, daß wir bisher nicht den geringsten Schaden oder Mangel zu leiden hatten. Seine Anhänglichkeit an mich hatte sich nach und nach zu einer ganz erfreulichen Stärke entwickelt, und ich hätte ihm gern mein vollständiges Vertrauen geschenkt, wenn mir nicht eine außerordentliche, beängstigende Aufregung aufgefallen wäre, an welcher er seit einiger Zeit, und zwar nur des Morgens, zu leiden schien. Er saß dann auf seiner Matte, von welcher er nicht aufzubringen war, weinte und schluchzte, lach­te und jubelte in einem Atem, nannte sich bald einen Helden und bald eine Memme, bald einen guten Moslem und bald einen Ungehorsamen, der in die Tschehenna fah­ren müsse. Es war eine Art Wahnsinn, der ihn erfaßt haben mußte und dessen Ursache ich gar zu erfahren hätte.

Die Lösung folgt später:

Ein wunderlicher Anblick bot sich mir dar. Bei den abgeladenen Effekten saß näm­lich, mir den Rücken zukehrend, der lange Kubaschi von Ferkah en Nurab und hielt – mein Spiritusfäßchen an den Mund. Ich führte das sorgfältig in Bastmatten gehüllte Fäßchen bei mir, um in der konservierenden Flüssigkeit allerlei für meine Sammlun­gen bestimmtes Getier aufzubewahren. Es befanden sich in demselben außer den mannigfaltigsten Insekten und Würmern allerlei Amphibien, Vipern, Skorpione, Step­penmolche, Birketkröten, und jetzt saß Hassan, der wahre Moslem, da an der Erde und schlürfte die Sauce, in welcher diese Kreaturen schwammen, mit einem Behagen, als sei er über den Nektar des Olymps geraten. Zugleich bemerkte ich, daß dieser Op­fertrank nicht der erste sei, dem er sich hingab; denn er mußte das Fäßchen gewaltig heben, um noch einige Tropfen aus dem geöffneten Zapfenloche zu erhalten. Jetzt war ich mir mit einem Male über den Wahnsinn klar, an welchem er in jüngster Zeit zu leiden schien: es war nichts gewesen als – Betrunkenheit.

Die Diskussion, die folgt, macht die Araber ein bisschen lächerlich:

So sah Kara Ben Nemsi aus - das vermittelten die Postkarten, die Karl May im Kostüm zeigten
So sah Kara Ben Nemsi aus – das vermittelten die Postkarten, die Karl May im Kostüm zeigten

Die Moslemin, welche sich im stillen dem Genusse des Weines und der Spirituosen hingeben, benennen dieselben mit den verschiedensten Namen, um ihr Gewissen zu beruhigen. Nach ihrer Logik ist der Wein nicht Wein, wenn er anders heißt.

»Ma-el-Zat, Wasser der Vorsehung? Wer hat dir den Namen des Getränkes genannt, welches sich in dem Gefäße befindet?«

»Ich kenne ihn, Sihdi. Als die Menschen einst traurig waren, ließ die Vorsehung eine Nuktha, einen Tropfen der Erheiterung, zur Erde fallen; er bewässerte das Land, und nun wuchsen allerlei Pflanzen hervor, deren Saft einen Teil der Nuktha enthält. Darum heißt solch ein Trank, der den Menschen fröhlich macht, Ma-el-Zat, Wasser der Vorsehung.«

»So sage ich dir, daß dies kein Ma-el-Zat, sondern Spiritus ist, der einen noch viel schlimmeren Geist hat, als der Wein, den du nicht trinken darfst.«

»Ich trinke keinen Wein und keinen Spiritus; ich habe die Nuktha-el-Zat genossen.«

»Aber auch diese ist dir verboten!«

»Du irrst, Sihdi; der Moslem darf sie trinken.«

»Hast du nicht gehört, daß der Prophet sagt: ‚Kullu muskirün haram, alles, was trunken macht, ist verboten.’«

Kara Ben Nemsi verlangt dann die Trunkenheitsprobe – das Aufsagen einer sprachlich vertrackten Sure:

»Du hast kein Recht, Sihdi, mir den Surat el kafirun abzuverlangen, denn du bist nicht ein Moslem, sondern ein Christ.«

»Du würdest ihn sagen, doch du vermagst es nicht. Du glaubst, ein Moslem dürfe einem Christen nicht gehorchen; warum bist du dann mein Diener geworden? Du hältst es für kein Verbrechen, das Ma-el-Zat zu trinken, aber daß du es mir gestohlen hast, kannst du nicht leugnen. Der Koran bestraft den Dieb, und auch du wirst deine Strafe haben!«

»Kannst du einen Rechtgläubigen bestrafen, Sihdi? Geh zum Kadi!«

»Ich brauche deinen Kadi nicht!«

Hassan war nur unser Führer, und da die Aufsicht über das Gepäck Sache des Staf­felsteiners war, so wußte der gute Kubaschi nicht, welchen Inhalt das Fäßchen außer dem Spiritus noch hatte. Ich nahm das Messer her. In wenigen Augenblicken waren die oberen Reifen zerschnitten und losgesprengt; ich schlug en Boden auf und hielt dem Menschenwürger nun das übelaussehende und noch übler riechende Gewürm unter die Nase.

»Hier hast du dein Ma-el-Zat, Hassan!«

Er spreizte die Beine aus, warf alle zehn Finger in die Luft und schnitt ein Gesicht, in welchem sich alle in dem Gefäße befindlichen Figuren wiederspiegelten.

»Bismillah, Sihdi, was habe ich da getrunken! Allah inhal el rhuschar, Allah ver­derbe dieses Faß; denn mir ist’s in meiner Gurgel, als hätte ich die ganze Dschehenna hinuntergeschluckt mit zehn Millionen von Geistern und Teufeln!«

May schwankt in seiner Darstellung der Angehörigen fremder Völker zwischen Vor­urteilen ihnen gegenüber – besonders bei manchen Völkern und Glaubensgemeinschaften – wie eben bei der Auslegung des Verbots berauschender Getränke und der Darstel­lung einzelner Figuren aus dieser Sphäre, die dann dem Klischee widersprechen. Er ist keineswegs durchgehend der Überzeugung, dass nun jeder Deutsche jedem Indianer oder jedem Orientalen oder sonstwem überlegen sei.

Sam und der Kantor Emeritus aus "Der Ölprinz"
Sam und der Kantor Emeritus aus „Der Ölprinz“

Wichtig ist ihm die Angemessenheit des Verhaltens – der deutsche Kantor Emeritus aus dem Ölprinz z. B. Ist geradezu eine gefährliche Figur – wenngleich vor allem komisch -, da er sich den Gegebenheiten einer gefahrvollen Reise nicht anzupassen gewillt ist. Ständig muss er gerettet werden … May spart nicht mit Kritik an ihm. Da sind die ungebildeten Westmänner in seiner Begleitung doch wesentlich positiver geschildert.

Hobble-Frank

Zu den Persönlichkeiten, die häufiger auftauchen, aber eher eine komische Rolle haben gehört Hobble Frank im Wilden Westen. Er wirkt nicht durch seine Ausstattung komisch, nein, – oder soll es zumindest nicht – oder doch? Urteilen Sie selbst:

Einen eigentümlichen Anblick bot sein Begleiter. Dieser war ein kleiner, schmächti­ger Mann, dessen Gesicht von einem dichten, schwarzen Vollbarte umrahmt war. Er trug indianische Schuhe und Lederhosen und dazu einen dunkelblauen Frack, welcher mit hohen Achselbuffen, Batten und blank geputzten Messingknöpfen versehen war. Dieses letztere Kleidungsstück stammte wohl aus dem ersten Viertel des gegenwärtigen Jahrhunderts. Damals wurde ja ein Tuch fabriziert, welches für eine Ewigkeit gemacht zu sein schien. Freilich war der Frack außerordentlich verschossen und an den Nähten fleißig mit Tinte aufgefärbt, aber es war noch kein einziges Löch­lein darin zu bemerken. Solchen alten Kleidungsstücken begegnet man im »far West« sehr oft. Dort geniert es keinen, ein altmodisches Habit zu tragen, denn bei den dorti­gen Verhältnissen gilt der Mann mehr als das Kleid.

Auf dem Kopfe trug der kleine Mann einen riesigen schwarzen Amazonenhut, den eine große, gelb gefärbte, unechte Straußenfeder schmückte. Dieses Prachtstück hatte jedenfalls vor Jahren irgend einer Lady des Ostens gehört und war dann durch ein launenhaftes Schicksal nach dem fernen Westen verschlagen worden. Da seine außer­ordentlich breite Krämpe sehr gut gegen Sonne und Regen schützte, so hatte sich der jetzige Besitzer gar keine Skrupel gemacht, ihm die gegenwärtige Bestimmung zu geben.

Die Kleidung wirkt natürlich komisch, auch wenn May ihre Zusammensetzung schlüssig zu erläutern scheint. Sie soll auch komisch wirken.

Aber das eigentlich komische Merkmal des Hobble-Frank ist anderer Natur.  Seine Einstellung zum Leben, seine Sprache (sächsisch …), seine missverstandene Gelehrtheit – und gerade die letztere hat die Funktion, den Ich-Erzähler als umfassend gebildeten und vernünftigen Menschen ins rechte Licht zu rücken. Auch andere Begleiter in der Gruppe können sich so in diesem Punkt positiv von Frank abheben wie hier z. B. der dicke Jemmy in „Der Sohn des Bärenjägers“:

„Und dort schwimmt nun mein Amazonenhut ganz brüderlich neben dem Ihrigen. Kastor und Phylax, wie’s in der Mythologie und ooch in der Schternenkunde heeßt. Es ist gradezu – – -«

»Kastor und Pollux heißt es!« fiel Jemmy ein.

»Sein Sie doch ganz schtille! Pollux! Ich habe als Forschtbeamter so viel mit Jagd­hunden zu thun gehabt, daß ich ganz genau weeß, ob es Pollux oder Phylax heeßt. Solche Verbesserungen verbitte ich mir. Die sind bei mir schlecht angebracht. Den­noch will ich das edle Brüderpaar herausfischen. Eegentlich sollt‘ ich den Ihrigen drin lassen. Verdient haben Sie es nich an mir, daß ich mich Ihres Hutes wegen nun noch viel nasser mach‘.«

Mays komische Elemente sind sehr oft sprachlicher Natur – Sams „Wenn ich mich nicht irre, hihihih“, das er sich im Laufe der Zeit aneignete (in Old Firehand hat er es noch nicht so penetrant …), Dick Hammerdulls „Doch, ob er vom Osten kommt oder vom Westen, das bleibt sich gleich; wenn er nur kommt, dann haben sie ihn“ oder die Sprachmarotten englischer Lords; so hat in den ersten Auftritten Lord Lindsays, des graukariert gekleideten Engländers, die Art, in unvollständigen Sätzen zu reden und dabei den Abenteueraspekt einer Sache zu loben, durchaus komischen Effekt:

 »Schön – ausgezeichnet! Sind Prairiejäger gewesen – Spuren finden – nachlaufen – tot­schießen – kapitales Vergnügen – bezahle gut, sehr gut!«

Die Anzahl solcher Sprachmarotten ist riesig in Karl Mays Werk – ein probates Stil­mittel, um Figuren unverwechselbar zu machen; ähnlich wie die ausgefallene Klei­dung.

Lord Lindsay, den ich eben zu Wort kommen ließ, macht im Laufe der Geschichten eine Entwicklung mit – nicht nur, dass er zunehmend in vollständigen Sätzen spricht; auch sein Verständnis von Amusement ändert sich, er wird mehr und mehr ein Freund, ein ernstzunehmender Reisegenosse.

Freundespaare

Hier sehen den dicken Jemmy und den langen Davy in "Der Sohn des Bärenjägers", gezeichnet von D. Douglas
Hier sehen den dicken Jemmy und den langen Davy in „Der Sohn des Bärenjägers“, gezeichnet von D. Douglas

Mit den Auftritten von Dick Hammerdull und dem dicken Jemmy eben bei den Sprachmarotten sind wir schon bei der letzten Gruppe angekommen: den paarwei­se auftretenden Gefährten.

In der Regel haben sie ein untergeordnete Rolle in der jeweiligen Reisegruppe – einzeln arbeitende Helden wie Old Surehand sind renom­mierter. Aber sie sorgen für Erheiterung, da sie komplementär angelegt sind. Der dicke Jemmy und der lange Davy, Humple-Bill und Uncle Gunstick, die zwei ver­kehrten Toasts und die beiden Snuffles, ein Brüderpaar, das mittels ausgeprägter Riechorgane zu diesem Namen kam.

Einer ist lang, der andere dick, einer redet gern und der andere schweigt. Sie haben meist festgelegte Dialogmuster, die, wie May erläutert, dem langen Zusammensein geschuldet sind, aber eigentlich in den Bereich der komischen Sprachmarotten gehören.

Sie sind tüchtige Westleute, um Mays Worte zu benutzen, wenngleich nicht überragend – das bleibt, wie sollte es anders sein, dem Ich-Erzähler vorbehalten. Hier treten Jemmy und Davy erstmals auf:

Sie waren von sehr verschiedener Körpergestalt. Weit über sechs Fuß hoch, war die Figur des einen fast beängstigend dürr, während der andere bedeutend kleiner, dabei aber so dick war, daß sein Leib beinahe die Gestalt einer Kugel angenommen hatte.

Es ist ein typischer Auftritt bei May – und erinnert er Sie nicht an wen? Don Qui­chotte und Sancho Pansa standen bei den beiden Partnern wohl auch Pate.

So eine Art Fazit

Gefährten von Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi haben verschiedene Funktio­nen; in allererster Linie dienen sie der Bestätigung für die Überlegenheit des Ich-Er­zählers. Sie haben oft eine unterhaltsame Seite. Wenngleich sie dem Helden immer unterlegen sind – ohne sie wäre er nichts! Er braucht sie, um belehren, seine Fähig­keiten ausspielen und seine Kräfte beweisen  zu können. Ein einsamer und damit schweigsamer Held ist keine gute Figur für Spannungsgeschichten. Und deshalb ist weder Old Shatterhand noch Kara Ben Nemsi je länger  allein unterwegs. Übrigens erweisen sich viele der Gefährten in der weiten Welt als Deutsche, die das Schicksal in die Prairie oder in die Wüste getrieben hat – Hobble-Frank mit seinem Sächsisch ist da das markanteste Beispiel, aber auch bei den paarweise auftretenden Gefährten, ist manches Mal ein Deutscher dazwischen. Krüger-Bei führt seine Herkunft ja aschon im Namen vor sich her – einerseits auch er eine komische Figur, andererseits aber auch der Protagonist eines sozialen Aufstiegs. Diese vielen Deutschen in seinen Büchern beotnen den Aspekt, der Karl May offensichtlich sehr wichtig war – nicht nur sein Alter Ego ist überlegen, Deutsche im Allgemeinen zeigen mehr Mut, Standhaftigkeit und Ehrlichkeit als andere. Bis der Held selbst auftritt, sind diese Männer idR gut imstande, die angemessenen Reaktionen auf Gefahren zu zeigen. Aber kaum ist Old Shatterhand da, müssen sie ins zweite Glied und fangen an, Fehler zu machen …

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

3 Comments

  • Maike

    18. Januar 2017 at 11:13 Antworten

    Für die ganze Serie zu den Freunden und Gefährten bei Karl May und die differenzierte Analyse aller unglücklichen Beiklänge ebenso wie des Unterhaltungswerts noch einmal vielen Dank! Ich habe sie wirklich mit sehr großem Vergnügen gelesen. Von den hier aufgeführten Figuren ist natürlich David Lindsay mein heimlicher Liebling (vor allem, weil ich immer großes Verständnis für seine archäologischen Ambitionen hatte).

    • Heike Baller

      18. Januar 2017 at 18:19 Antworten

      Ja, die Engländer haben bei Karl May immer so ihren eigenen Touch. Auch die Frauen, denk nur an Amy im Waldröschen.
      Mir hat die Serie auch Spaß gemacht. Jetzt ist auch bald erst mal wieder Schluss mit Karl May. Es gibt nächster Zeit noch eine Rezi zu einer Neuerscheinung, aber dann ist Finis und ich suche mir für meinen Kitschanteil in mir was Neues 😉

  • […] mein Freund Sir David Lindsay hat einen Auftritt, der sich gewaschen hat – da ist nix mehr von der etwas klamaukigen Figur […]

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