Freunde und Gefährten bei Karl May oder Old Shatterhand und seine Entourage I

Freunde und Gefährten bei Karl May oder Old Shatterhand und seine Entourage I

Karl MayFreunde und Gefährten bei Karl May sind für seine Ich-Helden Old-Shatterhand und Kara Ben Nemsi völlig unerlässlich. Heute und in den folgenden Beiträgen möchte ich Ihnen einige dieser Figuren vorstellen und schauen, was es mit ihnen auf sich hat:

  • Welche Typen gibt es?
  • Welche Funktion haben sie?

Karl May war ja mehr als nur ein Jugendschriftsteller – er hat im Laufe seines Lebens für unterschiedliche Medien geschrieben, bevor er ein erfolgreicher Schriftsteller wurde: katholische Zeitschriften, Heimatblätter, Jugendzeitschriften – ja auch das – und für den Kolportage-Verlag Münchmeyer. Auch wenn die Freunde und Gefährten, die wir heute noch mal betrachten werden, vor allem aus den Reiseer­zählungen und den explizit für Jugendliche geschriebenen Geschichten stammen, sollten wir das nicht aus den Augen verlieren.

Der junge Karl May als Redakteur
Der junge Karl May als Redakteur

Was erwartet Sie nun?

Die Freunde und Gefährten, die May in seinen Büchern einführt, haben unterschied­liche Positionen zum Ich-Erzähler – mal sind sie näher dran, mal begleiten sie ihn in verschiedenen Geschichten, mal sind es Randfiguren. Und viele von ihnen haben eine komische Seite oder sind gar komische Figuren.

Ich beginne mit den nahestehenden, mit denen, die öfter vorkommen. Das sind vor allem drei: Im Orient ist es Halef – der ist heute dran -, im Wilden Westen Sam Hawkens einerseits (nächste Woche) und Winnetou sowieso – dazu kommen wir übernächste Woche.

Dann folgt in drei Wochen der ernstzunehmende Gefährte, der aber nur in einer Geschichte vorkommt – Old Surehand. Und in vier Wochen kommen die anderen: komische Gestalten, Freunde im Doppelpack und spleenige Engländer.

Dabei ist auch spannend zu beobachten, wie sich manche Figur entwickelt – unter Mays eigenen Händen. Zum Teil hat er, was er in der einen Zeitschrift zuerst veröffentlicht hat, später erneut verwendet. Seine Figuren entwi­ckeln im Laufe der Zeit auch ihre Eigenschaften erst. Sie werden staunen! Besonders die Wild-West-Geschichten stecken voller Überraschungen.

Diesen Beiträgen liegen die Ausgaben zugrunde, die Hermann Wiedenroth besorgt hat – einmal auf der CD-ROM „Karl Mays Werke“ vom Verlag zweitausendeins (ISBN: 3861507315  – leider nicht mehr lieferbar) und in gedruckter Form beim Park-Verlag und im Verlag Neues Leben. Da mögen sich ein paar Unterschiede zu den vertrauten Ausgaben des Karl-May-Verlags ergeben.

Hadschi Halef Omar

Im Orient-Zyklus begegnen wir Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah zu Beginn des Romans „Durch die Wüste“. Wir können Halef förmlich „erleben“. Es ist ein genialer Romananfang:

Ein Todesritt

»Und ist es wirklich wahr, Sihdi, daß du ein Giaur bleiben willst, ein Ungläubiger, welcher verächtlicher ist als ein Hund, widerlicher als eine Ratte, die nur Verfaultes frißt?«

»Ja,« antwortete ich.

»Effendi, ich hasse die Ungläubigen und gönne es ihnen, daß sie nach ihrem Tode in die Dschehenna kommen, wo der Teufel wohnt; aber dich möchte ich retten vor dem ewigen Verderben, welches dich ereilen wird, wenn du dich nicht zum Ikrar bil Lisan, zum heiligen Zeugnisse, bekennst. Du bist so gut, so ganz anders als andere Sihdis, denen ich gedient habe, und darum werde ich dich bekehren, du magst wollen oder nicht.«

So sprach Halef, mein Diener und Wegweiser, mit dem ich in den Schluchten und Klüften des Dschebel Aures herumgekrochen und dann nach dem Dra el Haua herun­tergestiegen war, um über den Dschebel Tarfaui nach Seddada, Kris und Dgasche zu kommen, von welchen Orten aus ein Weg über den berüchtigten Schott Dscherid nach Fetnassa und Kbilli führt.

Halef war ein eigentümliches Kerlchen. Er war so klein, daß er mir kaum bis unter die Arme reichte, und dabei so hager und dünn, daß man hätte behaupten mögen, er habe ein volles Jahrzehnt zwischen den Löschpapierblättern eines Herbariums in fort­währender Pressung gelegen. Dabei verschwand sein Gesichtchen vollständig unter einem Turban, der drei volle Fuß im Durchmesser hatte, und sein einst weiß gewese­ner Burnus, welcher jetzt in allen möglichen Fett- und Schmutznuancen schimmerte, war jedenfalls für einen weit größeren Mann gefertigt worden, so daß er ihn, sobald er vom Pferde gestiegen war und nun gehen wollte, empornehmen mußte wie das Reitkleid einer Dame. Aber trotz dieser äußeren Unansehnlichkeit mußte man allen Respekt vor ihm haben. Er besaß einen ungemeinen Scharfsinn, viel Mut und Gewandtheit und eine Ausdauer, welche ihn die größten Beschwerden überwinden ließ. Und da er auch außerdem alle Dialekte sprach, welche zwischen dem Wohnsitze der Uëlad Bu Seba und den Nilmündungen erklingen, so kann man sich denken, daß er meine vollste Zufriedenheit besaß, so daß ich ihn mehr als Freund denn als Diener behandelte.

Eine Eigenschaft besaß er nun allerdings, welche mir zuweilen recht unbequem werden konnte: er war ein fanatischer Muselmann und hatte aus Liebe zu mir den Entschluß gefaßt, mich zum Islam zu bekehren. Eben jetzt hatte er wieder einen seiner fruchtlosen Versuche unternommen, und ich hätte lachen können, so komisch sah er dabei aus.

Ich ritt einen kleinen, halb wilden Berberhengst, und meine Füße schleiften dabei fast am Boden; er aber hatte sich, um seine Figur zu unterstützen, eine alte, dürre, aber himmelhohe Hassi-Ferdschahn-Stute ausgewählt und saß also so hoch, daß er zu mir herniederblicken konnte. Während der Unterhaltung war er äußerst lebhaft; er wedelte mit den bügellosen Beinen, gestikulierte mit den dünnen, braunen Aermchen und versuchte, seinen Worten durch ein so lebhaftes Mienenspiel Nachdruck zu geben, daß ich alle Mühe hatte, ernst zu bleiben.

Ein bisschen später kommt der Rest der Beschreibung:

»Sihdi, du bist klug und weise; du merkst gleich, was ich vergessen habe, und daher ist es jammerschade, daß du ein verfluchter Giaur bleiben willst. Aber ich schwöre es bei meinem Barte, daß ich dich bekehren werde, du magst wollen oder nicht!«

Bei diesen Worten zog er seine Stirn in sechs drohende Falten, zupfte sich an den sieben Fasern seines Kinns, zerrte an den acht Spinnenfäden rechts und an den neun Partikeln links von seiner Nase, Summa Summarum Bart genannt, schlenkerte die Beine unternehmend in die Höhe und fuhr mit der freien andern Hand der Stute so kräftig in die Mähne, als sei sie der Teufel, dem ich entrissen werden sollte.

Im Lauf der Geschichten, die die beiden miteinander erleben, bezieht sich der Erzähler immer wieder auf die genannten Eigenschaften Halefs, ergänzt sie hier und da, v. a. wenn es um orientalische Bräuche wie die Benutzung einer Nilpferdpeitsche oder den Umgang mit „Honoratioren“ geht. Da dient Halef als Illustration fremder Sitten. Weil er dem Leser aber durch die Verbindung zum Ich-Erzähler nahesteht, sind diese Einstellungen gar nicht mehr so fremd – so funktioniert Suggestion.

Karl May Postkarte Fehsenfeld 003
Der Verleger Fehsenfeld vermarktete Karl May auch mit Postkarten, die Szenen aus den Büchern zeigten – hier Halef und Kara ben Nemsi
Halef verkörpert den klassischen Karl-May-Gefährten quasi in Reinform:

Er ist mutig und schlau, kennt sich in seinem Bereich aus, ist dem Erzähler treu ergeben und von dessen Überlegenheit in vielen Dingen leicht zu überzeugen. In einem Gebiet – hier die Religion – ist er völlig verschiedener Auffassung und merkt nicht, wie er im Laufe der Geschichte mehr und mehr der Auffassung des Erzählers zuneigt. Bei aller Freundschaft, die Kara Ben Nemsi gegenüber Halef empfindet, bei aller Anerkennt­nis seiner Fähigkeiten – die Hierarchie des überlegenen Europäers über den Bedui­nen wird an keiner Stelle wirklich in Frage gestellt.

Und das ist ein Muster in vielen May-Büchern:

Der Held ist unfehlbar, kann alles, weiß alles besser und behält immer den Durchblick.

Nächste Woche geht es mit den Wild-West-Gefährten los – Sam Hawkens erwartet uns.

Die Wüsten-Geschichten Karl Mays in der Stadtbibliothek Köln:

Lustig ist, dass in der neune Hörspielreihe von 2016 auch die Wüstengeschichten mit der Signatur „22.4. Mein Freund Winnetou“ gekennzeichnet sind …

Ansonsten: 22.4. May ist die Grundsignatur aller Karl-May-Bände – die Wüsten-Serie ist vollständig vorhanden (Karl-May-Verlag)

Zu den Münchmeyer-Romanen gibt es ja auch ein E-Book – für 3,99.

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

2 Comments

  • Maike

    13. Dezember 2016 at 15:34 Antworten

    Was für eine schöne Idee, die Freunde und Gefährten der Hauptfigur in den Karl-May-Büchern in den Mittelpunkt zu rücken! Die pointierte und überzeugende Analyse zu lesen, hat mir sehr viel Spaß gemacht, und die Werbepostkarte ist natürlich herrlich. Nun bin ich schon sehr auf die Interpretation des Personals der Wildwest-Geschichten gespannt, gerade auch hinsichtlich von Änderungen und Entwicklungen bei den Figuren (mir fällt da spontan natürlich erst einmal „Old Firehand“ hinsichtlich Winnetou, aber auch Ellen/Harry ein, denn da haben sich ja massive Änderungen von der kürzeren Geschichte zur Romanfassung ergeben. Aber bestimmt gibt es auch bei den anderen Charakteren so einiges zu entdecken). Noch einmal vielen Dank jedenfalls für die ganze Karl-May-Serie, die mich heute schon wieder in glücklicher Nostalgie schwelgen lässt!

    • Heike Baller

      13. Dezember 2016 at 17:10 Antworten

      Liebe Maike, da die Reihe auf einem Vortrag beruht, geht es manchmal nicht so in die Tiefe, wie Du Dir das vielleicht wünschst – Ellen/Harry kommen nicht vor. Nur schon mal als Warnung 😉 Und vielen Dank für Deine lobenden Worte – sie tun gut.

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