Entstanden ist dieses Buch aus einer Twitter-Aktion – daraus kann man sehen, wie lange es her ist 😉: Marina Weisband hatte ihre Follower*innen gebeten, ihre Fragen rund ums Judentum zu stellen. Die Resonanz war riesig. Da sie das nicht allein schaffen konnte, holte sie Eliyah Havemann mit ins Boot. Er ist modern-orthodoxer Jude, sie bezeichnet sich als nicht-religiöse Gläubige. Die Fragen haben sie dann erst einmal in Videos beantwortet – am Ende stand dieses Buch.
Worum geht es?
Marina Weisband und Eliyah Havemann haben die vielen Fragen ein bisschen sortiert und beantworten sie der Reihe nach – und zwar jeweils allein. Da sie unterschiedliche Formen des Judentums leben, fallen ihre Antworten teils auch unterschiedlich aus, oder sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Das ist spannend zu sehen, wenn man die Antworten direkt hinterienander lesen kann. Teilweise ist da auch noch die Dialogform erhalten, wenn Eliyah Havemann sich in einem weiteren Absatz auf Marina Weisbands Aussagen bezieht.
Die Fragen reichen von Kleidungsvorschriften und -traditionen über die Frage, wer überhaupt jüdisch ist oder was jetzt eigentlich Antisemitismus ist bis hin zu den einzelnen Festen. Wobei ich bei diesem Teil den Eindruck hatte, das Eliyah Havemann da mehr Feste aufgezählt hat, als Durchschnittsdeutsche überhaupt fragen können – von einigen der Feste hatte ich noch nie gehört.
Das Buch ist wirklich informativ. Und man muss das Buch nicht hinter einander weg lesen, sondern kann im Inhaltsverzeichnis die Fragen checken und schauen, was gerade interessant ist. Wo es sinnvoll ist, verweisen die beiden dann schon noch auf ergänzende Beiträge im Buch.
Ein Beispiel möchte ich zitieren, das mich auch nachdenklich gemacht hat. Auf die Frage „Gäbe es von einem auf den anderen Tag keine Juden mehr: Würden die Antisemit*innen sich dann auf einen anderen globalen Sündenbock einigen?“ antwortet Marina Weisband:
Eine interessante Beobachtung, zu der ich gern mehr historische Forschung hätte: Nach den großen Pogromen gegen die Juden im Mittelalter war die Zahl der jüdischen Gemeinden reduziert. In der Frühen Neuzeit schloss sich die Hochzeit der Hexenverbrennung an. Und was wurde Hexen vorgeworfen? Kindermord, Teufelspaktiererei, Brunnenvergiftung … klassische Vorwürfe, die man vorher in Verbindung mit Juden brachte.
S. 192
Wie schreiben Marina Weisband und Eliyah Havemann?
Dass sich das Buch aus einer mündlichen Form entwickelt hat, macht sich angenehm bemerkbar. Es ist flüssig zu lesen – wie das Beispiel oben ja schon zeigt.
Ich fand das Buch sowohl interessant als auch wichtig und kann es empfehlen.
Eliyah Havemann und Marina Weisband: Frag uns doch. Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main, 2021, ISBN: 9783104945050 (E-Book)
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