Inhalt des Beitrags
Leider ist Hans Rosling noch vor Abschluss dieses Werks gestorben, so dass er nicht mibekommen hat, warum ich zu seinem Buch griff: Die Anhäufung von Krisen innerhalb von knapp zwei Jahren.
- Wir leben seit fast zwei Jahren mit der Pandemie, die von SARS Cov 2 ausgelöst wird
- Extreme Wetterereignisse rund um die Erde häufen sich (Hitze in Sibirien, Kälteeinbruch in Texas, Überflutungen in Westdeutschland, nicht kontrollierbare Waldbrände in Australien (das war letztes Jahr, erinnern Sie sich?), Kalifornien (gefühlt alle Jahre drei Mal), am Amazonas und im Mittelmeerraum, Erdbeben auf Haiti, Hurrikans, Tornados, Tropenstürme von Japan, Indonesien, Indien bis nach Amerika … ich hab bestimmt was vergessen)
- Immer lauter werdende Menschen mit extremen Ansichten
- die Niederlage des Westens in Afghanistan
Da ist das Versprechen „Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“ einfach sehr ansprechend.
Hans Rosling hat das Buch zusammen mit seinem Sohn Ola Rosling und seiner Schwiegertochter Anna Rosling Rönnlund erarbeitet.
Wie sieht Hans Rosling die Welt und ihre Krisen?
Faktenbasiert.
Das Buch beginnt mit einer Reihe von Faktenfragen, bei denen Sie zweichen drei Optionen wählen können:
In den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der in extremer Armut lebenden Weltbevölkerung
A: nahezu verdoppelt
B: nicht oder nur unwesentlich verändert
C: deutlich mehr als halbiert
S. 12 f
Oder:
Wie viele der einjährigen Kinder auf der Welt sind gegen irgendwelche Krankheiten geimpft?
A: 20 Prozent
B: 50 Prozent
C: 80 Prozent
S. 13f
Am Ende der 13 Fragen erfahre ich, dass nahezu bei allen Fragen die positivste Antwort die richtige ist – also fast 80 Prozent aller einjährigen Kinder auf dieser Welt sind gegen Krankheiten geimpft.
Das wissen die wenigsten – ich wusste es auch nicht.
Die große Kluft
Nun geht Hans Rosling verschiedene Instinkte, wie er es nennt durch. Da geht es als erstes um die „Kluft“ – es lässt sich viel besser „verstehen“, dass die einen reich und die anderen arm sind, als dass die meisten irgendwo in der Mitte angesiedelt sind. Für Menschen wie Sie und mich, die wir auf Stufe 4 leben, sind alle auf den Einkommensstufen 1 bis 3 einfach arm. Dabei gibt es hier riesige Unterschiede.
Ich habe mich daran erinnert, wie erstaunt ich ich im Grunde war, dass die Menschen, mit denen mein Nachwuchs bei einem freiwilligen sozialen Jahr in Indien zu tun hatte, eben nicht den Elendsbildern entsprachen, die mir aus den Medien vertraut sind. Von den 7 Milliarden Menschen dieser Welt leben „nur“ noch 1 Milliarde in absoluter Armut, also von weniger als einem Dollar pro Tag. Als ich klein war, kamen im Fernsehen ständig Nachrichten von verhungernden kleinen Kindern, besonders aus Afrika. Das prägt. Doch mir war schon vor einiger Zeit klar geworden, dass sich da was geändert hat. Und Hans Rosling zeigt anhand von allgemein zugänglichen Statistiken, dass und wie sich die Lebenserwartung auf der Welt, die Gesundheitsvorsorge und der wirtschaftliche Wohlstand verändert haben.
Die nächsten Instinkte heißen dann Instinkt der geraden Linie, der Verallgemeinerung, der Schuldzuweisung und der Dringlichkeit, um nur ein paar zu nennen. Jeden dieser Instinkte erläutert Hans Rosling: Welche Ursachen und welche Funktion er hat(te) und gibt dann Tipps, wie ich diesen unbewussten Reaktionen ein Schnippchen schlagen kann, um die Welt so zu sehen, wie sie ist. Dabei geht es nicht nur um die Zahlen,, sondern um die Geschichten, die sie erzählen.
So hat Malysia die Kindersterblichkeit innerhalb von 35 Jahren von 93 Kindern, die unter 1.000 von ihnen ihren fünften Geburtstag nicht erlebten, auf 14 gesenkt. Die Geschichte dahinter lautet:
Wenn in Malaysia nur 14 von 1000 Kindern sterben, bedeutet das, dass die übrigen 986 überleben. (…) Diese Zahl 14 sagt uns also, dass die meisten Familien in Malaysia genug zu essen haben, dass keine Abwässer in ihr Trinkwasser gelangen, dass sie einen guten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung haben und dass die Mütter lesen und schreiben können. Sie sagt uns nicht nur etwas über die Gesundheit der Kinder. Sie misst die Qualitt der Gesamtgesellschaft.
S. 31
Wie spricht Hans Rosling?
Sehr lebendig. Im Vorwort schildert er die Zusammenarbeit mit seiner Schwiegertochter und seinem Sohn, die die Grundlage für seine Vorträge und auch für das Buch ist. Es ist ein sehr persönliches Buch, in dem Hans Rosling auch von seinem Scheitern spricht, von seinen Fehlentscheidungen und sich nicht schont.
Ich konnte seinen Gedankengängen gut folgen. Er belehrt nicht, er erzählt. Und das mit Verve und Kenntnis und Charme.
Jedes Kapitel endet mit einem Abschnitt, der die wichtigsten Ergebnisse noch mal zusammenfasst und kurze Tipps gibt, wie der jeweilige Instinkt ausgehebelt werden kann. Auch die Betrachtung statistischer Angaben und Grafiken kann ich anhand seiner Beispiele schulen – manchmal ändert eine andere Darstellung den Eindruck, den Zahlen machen können, z. B. wenn die Punkte beim Scholastic Assessment Test auf Männer und Frauen verteil wird, kann eine Berggrafik viel deutlicher als manche Liniengrafik zeigen, dass es große Überschneidungen gibt (S. 660-63)
Hans Rosling, mit Anna Rosling Rönnlund und Ola Rosling: Factfulness. Wie wir lernen können, die Welt so zu sehen, wie sie ist, übersetzt von Hans Freundl, Hans-Peter Remmler und Albrecht Schneider, Berlin, Ullstein Verlag, 2018, ISBN: 9783843717458
Wichtige Links, die zum Buch gehören:
Hans Rosling, Anna Rosling Rönnlund und Ola Rosling haben den Gapminder ins Leben gerufen – lauter Grafiken, um die Weltlage zu verstehen. Es handelt sich um eine gemeinnützige Stiftung, deren Daten verwendet werden können, ja sollen.
Bei Dollarstreet werden Familien aus aller Welt, die über dasselbe Einkommen verfügen, nebeneinander dargestellt – sehr beeindruckend. Dieses Tool gehört mit zu Gapminder.org.
Die Stadtbibliothek Köln hält den Titel als Hörbuch ,als E-Book, als englischsprachiges Buch und als gedrucktes Buch parat.
Bisher gibt es noch keine Kommentare