Exil im Paradies von Ursel Braun

Exil im Paradies von Ursel Braun

Der Untertitel „Von Marta Feuchtwanger bis Helene Weigel“ macht schon mal klar, um welche Personengruppe es Ursel Braun geht: Um Frauen, im Exil der 30er und 40er Jahre und zwar um Ehefrauen von Autoren. Ursel Braun nutzt dazu gern das Wort „Großschriftsteller“. 😉

Eine Karte der Gegend um Los Angeles zeigt auf der Innenseite des Einbands die Namen und Wohnsitze der sechs Frauen an, um die es geht:

  • Marta Feuchtwanger
  • Nelly Kröger-Mann
  • Katia Mann
  • Alma Mahler-Werfel
  • Salka Viertel
  • Helene Weigel

Bis auf Salka Viertel sagten mir die Namen alle etwas – umso gespannter war ich auf diese mir Unbekannte.

Was erzählt Ursel Braun?

Sie schildert das Leben der sechs Frauen und ihrer Umgebung in den Zeiten des Exils. Dabei macht sie – natürlich – auch Ausflüge in ihre Vergangenheit. Die Kapitel sind nach Jahren sortiert – von 1940 bis 1945. Kleine, catchy formulierte, Zwischentitel machen Appetit auf das jeweilige Jahr, z. B.: „Marta gibt Henry Miller eine Abfuhr“ fürs Jahr 1941 oder „Eigentlich hält Helene Eifersucht für überflüssig“ für das Jahr 1944.

Dabei geht es nun wirklich nicht immer um „Das Goldene Blatt“-Inhalte – es geht um Selbstmord, versucht und vollendet, um Geldnöte und um die neue „Rolle“ als feindliche Ausländer im gastlichen Amerika.

Ach ja, Salka Viertel … Sagt Ihnen der Name etwas? Ich muss gestehen, dass ich weder von ihr noch von ihrem schreibenden und regieführenden Mann Berthold Viertel bisher gelesen hatte. *AscheAufMeinHaupt*. Aber Theater und auch Kino waren noch nie so meine Spezialthemen. Salka Viertel hat sich im Laufe der Exil-Zeit nicht nur von Berthold entfernt – er ging zwischenzeitlich zurück nach Europa, kehrte aber 1939 wieder in die USA zurück –, sondern regelrecht emanzipiert: Sie wurde Drehbuchautorin für Greta Garbo. Ansonsten führte sie zu Beginn der von Ursel Braun geschilderten Zeit einen Salon europäischer Art und bewirtete ihre sorgfältig ausgewählten Gäste mit Wiener Küche. Bei Youtube gibt es ein Video, in dem ihr Leben näher beleuchtet wird.

Was den Charme des Buches ausmacht: Ich lerne nicht nur sechs überaus spannende Frauen näher kennen, sondern auch eine Reihe weiterer Personen aus Kultur und Gesellschaft, wie man so sagt. Denn die Exilgemeinde aus Deutschland hält Kontakt untereinander und auch mit den Größen der amerikanischen Kultur.

Die sechs Frauen von sechs großen Autoren sind bei weitem mehr als nur das – sie sind die Heldinnen der Zeit, mit Contenance und Stil, mit Pragmatismus und viel Engagement. Katia Mann sorgt nicht nur dafür, dass „Tommy“ im neuen Haus alles im Arbeitszimmer so vorfindet, wie er es gewohnt ist, sie engagiert sich auch für andere Exilanten, organisiert Haus und Familie und ist, bis Tochter Erika das übernimmt, die erste Kritikerin neuer Texte.

Nelly Kröger-Mann ist die tragischste unter den sechs Frauen: Sie leidet unter der neuen Situation, tut sich mit der Sprache schwer, erlebt von den anderen keine Solidarität; während Alma Mahler-Werfels Flasche Benédictine pro Tag (zuzüglich weiterer Alkoholika) gesellschaftlich anerkannt ist, bekommt Nelly, die aus kleinsten Verhältnissen stammt und die Contenance nicht wahren kann, die Ablehnung aller wegen ihrer Trinkerei zu spüren, So sucht sie beim Alkohol immer weiter Trost und unternimmt mehrerer Selbstmordversuche. Die Unterstützung, die Thomas Mann seinem Bruder Heinrich gewährt, ist ihr nicht gegönnt – einmal wegen ihrer Alkoholkrankheit, aber eben auch, weil sie ist, was sie ist: Eine Frau aus kleinen Verhältnissen, die nicht ins Ambiente passt.

Alma Mahler-Werfel kommt auch nicht gut weg – ihr Umgang mit ihrem jüdischen Mann Franz Werfel, den sie völlig dominiert, ruft beim Lesen der einschlägigen Szenen leichtes Unwohlsein hervor; er betet sie an, sie macht ihn fertig. Und reitet immer auf seinem Judentum herum – sie ist selber zutiefst antisemitisch. (Auch das wird der Witwe Mahlers von anderen jüdischen Emigrantinnen und Emigranten nachgesehen.)

Das Buchcover von "Exil im Paradies" von Ursel Braun - ein Phot von zwei Fraune am Stand, pfeiferauchend. Auf blauem Grund der Titel in Weiß und in Rot der Name der Autorin un der Untertitel. Ein roter Stift liegt quer auf dem Buch.

Es ist ein Sittenbild in lauter Kleinformaten, das Ursel Braun abliefert.

Der Stil?

Ursel Braun plaudert, könnte man sagen. Sie erzählt leichthändig über das Leben, nimmt mich als Leserin mit hinein in diese ungewöhnliche Situation. Die kleinen Szenen, die sie mit den Zwischentiteln schon anreißt, schwenken von einer Protagonistin zur anderen. Das wird daran deutlich, dass die Titel in den Kapiteln nicht mehr auftauchen, sondern die Abschnitte nur mit den Namen der Frau überschrieben sind, die gerade im Mittelpunkt steht. Das Buch liest sich vom Stil her leicht – die Inhalte sind schon schwieriger. Die Mischung ist gelungen.

Ursel Braun: Exil im Paradies. Von Marta Feuchtwanger bis Helene Weigel, ebersbach & simon, Berlin, 2025, ISBN: 9783869153117

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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