Heute ist der 26. Februar und heute ist laut Kleiner Kalender der Erzähl-mir-ein-Märchen-Tag. Deshalb erzähle ich Ihnen heute ein Märchen, das ich mal selber geschrieben habe:
Ein Märchen
Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, eine Familie. Sie lebte auf einem ehemaligen Bauernhof, auch wenn niemand von ihnen Landwirtschaft betrieb. Auf dem Hof stand eine große, wohl gemauerte Scheune – und die war leer. Eines Tages tagte der Familienrat, um zu entscheiden, was mit diesem Gebäude geschehen sollte. Nach langem Hin und Her sagte der Vater: „Da wir die Scheune nicht brauchen, bin ich dafür, sie abzureißen. Damit stehe ich ziemlich allein – ihr alle wollt sie behalten. Doch so ein Gebäude kostet. Deshalb möchte ich, dass ihr mir zeigt, wie wir sie nutzen können. Und nein, ich möchte keine langen Vorträge von euch hören. Lasst euch was einfallen, womit wir sie füllen können. Ich geb euch ein bisschen Zeit zum Überlegen. In drei Tagen will ich wissen, was ihr euch überlegt habt“ Mit diesen Worten erhob er sich und ließ die anderen allein. Die Mutter lächelte fein und verließ ebenfalls den Tisch. Nun blieben die drei erwachsenen Kinder zurück. Ratlos schauten sie einander an.
„Habt ihr eine Idee?“ brach es aus der ältesten Tochter hervor.
„Ja,“ sagte die mittlere Schwester und ließ die beiden anderen einfach sitzen.
„Hm,“ machte die älteste, guckte nachdenklich und stand dann wortlos auf. Zuletzt saß also die jüngste in ihrem Rollstuhl allein am Tisch. Sie schaut aus dem Fenster auf das strittige Gebäude, ließ ihre Finger unruhig auf dem Bedienelement spielen, nickte dann mit dem Kopf, wendete ihr Gefährt und verließ ebenfalls den Raum.
Drei Tage später traf sich die Familie in der Scheune. Die älteste der Töchter war eine belesene junge Frau und kannte das Märchen von dem König und seinen zwei Söhnen, von denen der sein Nachfolger werden sollte, der die große Königshalle füllen konnte. Das Hilfsmittel war eine geringe Summe Geldes. Und so brachte sie eine Kerze mit, stellte sie in die Mitte der Scheune und sagte: „In dieser Scheune können wir gute Zeit verbringen, lichtvolle Zeit. Ich denke, wir alle haben Wünsche, möchten das eine oder andere tun. Hier ist der Platz dazu.“

Während sie sprach, konnte man draußen ein Rascheln und Flüstern hören. Die zweite Schwester ging zur Tür, öffnete sie und herein kamen ihre Freundinnen und Freunde mit Schwestern und Brüdern, Cousins und Cousinen und weiteren Verbündeten. „Diese Scheune,“ sagte sie „ist ein guter Ort, um sich zu treffen, ihn mit Menschen und Leben zu füllen.“
„Ihr habt gute Ideen,“ sagte der Vater. In Gesicht und Gesten ließ er spüren, dass die Sache für ihn jetzt schon zu Ende war. Doch auch seine jüngste wollte den Raum füllen. Sie fuhr mit ihrem Rollstuhl dorthin, wo zu Beginn die Kerze geleuchtet hatte, richtete sich auf, öffnete den Mund und begann „Auld long syne“ zu singen. „Im Grunde,“ sagte sie dann, „wollen wir alle das gleiche: einen guten Raum für gute Zeit miteinander. Wir können hier verschiedenste Dinge machen, wenn wir nicht darauf bestehen, dass dies unsere Scheune ist, ein Eigentum, in dem anderen nichts zu suchen haben. Hier sind jetzt bestimmt Leute, die gerne basteln oder bauen. Mit ihnen können wir diesen Raum gestalten, kleine Einheiten einrichten und große ebenso. Für die einen zum Lesen, für andere zum Malen, zum gemütlichen Beisammensitzen, zum Reden, zum Lesen, zum Musizieren.“ Sie grinste. „Und wenn wir es schaffen, auch gut schallisolierte Räume zu schaffen, muss es ja nicht bei Kammermusik bleiben. Wir können uns hier treffen und aktuelle Themen diskutieren, uns überlegen, wo unser Engagement in unserem Ort sinnvoll ist. Und wenn wir ein bisschen geprobt und herumprobiert haben – wer weiß, vielleicht veranstalten wir eines Tages hier Konzerte, Theater- oder Kabarettaufführungen, machen Kunstausstellungen.“ Sie schaute sich um, lächelte, atmete einmal tief durch und sagte abschließend: „Diese Scheune ist ein guter Ort – für all das und noch viel mehr.“
Die Eltern der drei jungen Frauen schauten sich an, lächelten ebenfalls und die Mutter meinte abschließend: „Na dann: Lasst uns beginnen.“
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