Ich weiß ja nicht, ob mir Erna als Freundin gefallen hätte. Anke Stelling hat da ein durchaus anstrengendes Kind in die literarische Welt gesetzt. Andererseits: Erna stöbert ständig in Wörterbüchern – zum Beispiel um herauszufinden, was „Gemeinschaft“ und „gemein“ miteinander zu tun haben. Das mag ich ja durchaus.
Was erzählt Anke Stelling?
Erna lebt mit Eltern und Bruder in einem Gemeinschaftsprojekt und besucht eine Gemeinschaftsschule. Und hat Probleme mit den Widersprüchen: Einerseits soll sie sich einbringen und Verantwortung übernehmen, andererseits soll sie sich nicht ständig einmischen. Als „Große“ sollen sie und die anderen Rücksicht auf die kleineren Kinder nehmen – andererseits gelten für sie oft dieselben Regeln wie für die Kleinen. Mit ihren ständig kreisenden Gedanken entlarvt Erna die Heuchelei der Großen. In der Schule gilt sie als Streberin, weil sie gern liest. Wen sie nicht mag, ist Mattis, der Angeber der Klasse, pardon: Lerngruppe. Er steht quasi auf der Abschussliste und niemand soll ihn provozieren, damit er nicht von der Schule muss. Was macht er? Er reizt alles aus, was geht. Eher gemein als gemeinschaftlich.
Bei einer Faschingsfeier in der Schule werden die Klos mutwillig demoliert – und alle Kinder bekommen die Folgen zu spüren: Aufs Klo nur nach Eintrag auf einer Liste, in der Pause alle raus auf den Hof, keine Rückzugsmöglichkeit in der freien Arbeitszeit … Puh. Der Widerstand ist groß, Erna soll als Lerngruppensprecherin ran – bei anderen mischen sich die Eltern ein – die Wogen gehen hoch.
Doch Erna weiß etwas, – fast sicher -, was die anderen nicht wissen: Wer es war. Und nun steckt sie in der Klemme. Soll sie was verraten? Ist das nicht petzen? Und – ganz sicher weiß sie es nicht – da droht Vorverurteilung …
Es gibt eine Lösung – die sich Erna vorher nicht vorstellen konnte.
Der Titel kommt im Buch auch vor – Erna hat von ihrer Mutter den Spruch gelernt, dass es immer drei Wahrheiten gebe: Meine, deine und d i e Wahrheit … Erna versucht, das zu leben – ein anspruchsvolles Vorhaben.
Für mich als Erwachsene war spannend zu sehen, wie Erna die eigenen Eltern, die der anderen Kinder und auch die Lehrerinnen und Erzieherinnen sieht – sie macht sich keine Illusionen. Und wer in ein Gemeinschaftsprojekt zieht, hat vielleicht hehre Ideale – doch der Alltag holt sie alle ein …
Wie erzählt Anke Stelling?
Konsequent aus der Innensicht von Erna – mt allen Haken und Ösen. Klar, sie ist 11 Jahre alt und kein Kleinkind mehr. Aber manche ihrer Überlegungen wirken tatsächlich etwas älter als sie ist. Die Sätze entwickeln sich, sie sind lang und ausufernd, folgen so dem „inneren Monolog“ von Erna. Im Großen und Ganzen liest sich das Buch sehr flott weg; mir sind nur manche dieser moralischen Schleifen von Erna ein bisschen viel gewesen.
Es ist das Kinderbuchdebut von Anke Stelling und es ist durchaus gelungen.
Anke Stelling: Erna und die drei Wahrheiten, cbt Kinder- und Jugendbuchverlag, München 2018, ISBN: ISBN: 978357016458-7
Das Buch gibt es auch in der Stadtbibliothek Köln – als Buch und als E-Book
Bisher gibt es noch keine Kommentare