Inhalt des Beitrags
Haben Sie je was von Pearl S. Buck gelesen?
Ich hab als Teenie alles, was auf Deutsch von ihr zu kriegen war, verschlungen. Einige Figuren haben mich lange begleitet – meine Vorliebe für den Duft von Sandelholz verdanke ich einer ihrer Figuren 😉
Und als ich merkte, dass ich da Kitsch las, hab ich mich mit ihrem Literaturnobelpreis getröstet – ohne zu ahnen, dass später verlangt wurde, nur Autor*innen auszuzeichnen, die bereits ein anderes Mal nominiert waren.
Und nun – eine gefühlte Ewigkeit nach diesen Leseerlebnissen stolpere ich ganz zufällig über ein „neues“ Buch von ihr – posthum herausgegeben. Klar, dass ich das lesen musste.
Es handelt sich um ein – aller Wahrscheinlichkeit nach – nicht fertig überarbeitetes Buch; das Manuskript tauchte 2012 auf, zusammen mit einem Typoskript. Ihr Adoptivsohn hat das Werk dann herausgegeben.
Was erzählt Pearl S. Buck?
Die Geschichte eines besonderen Menschen – und zwar schon pränatal.
Dieser Anfang
Er lag schlafend da im stillen Wasser. (…) Dann wiegte ihn die warme Flüssigkeit, von der er ganz und gar umschlossen war, hin und her, ja, wirbelte ihn manches Mal sogar regelrecht herum, sodass er instinktiv die Arme ausbreitete (… ) Instinkt war das Einzige, was er besaß.
S. 9
hat mich erst einmal ziemlich irritiert. Worum es ging, war dann aber nach den ersten zwei Absätzen klar.
Auch die Geburt schildert Pearl S. Buck aus der Sicht des Babys.
Besonders hier am Anfang setzt sie Instinkt gegen Lernen – um im Laufe der ersten 20 Seiten den Instinkt völlig wegzulassen.
Es geht um Randolph Colfax. Er ist hoch begabt – und hat das Glück, von früh auf ernst genommen und gefördert zu werden. Sein Vater, ein Hochschullehrer, widmet sich ihm und seinen Fähigkeiten, diskutiert mit dem Kind ernsthafte Themen und gibt ihm viele weise Ratschläge. Ist auch gut so, denn er stirbt früh – da ist Randolph ungefähr 12 Jahre alt. Und hat die Zulassung zum College in der Tasche.
Alle anderen sind deutlich älter als er – von außen gesehen, könnte man ihn für einsam halten. Aber er fühlt sich nicht so, denn das war nie anders. Er ist damit beschäftigt, zu lernen, zu schauen, zu verstehen. Ein Rat seines Vaters war, nie das Staunen zu verlernen, das sei die Grundlage allen Lernens.
Rann, wie er sich auf Anregung eines Lehrer nennen lässt, entwickelt sich also weiter – von finanziellen Sorgen ungeplagt, da plötzlich ein reicher Großvater auftaucht. Ein ebenso besonderer Mensch wie Rann selbst.
Und ja, es kommt auch das Lebensthema von Pearl S. Buck vor: Die Begegnung von Ost und West, in Form von China – bei Großvater und Enkel – und Korea – nur bei Rann; die Geschichte spielt zur Zeit des Koreakriegs.
Am Ende des Buchs ist Rann nicht einmal 20 Jahre als und hat bereits sehr viel kennengelernt – einschließlich Liebe und Tod.
Wie erzählt Pearl S. Buck?
Mir sehr vertraut. In einem etwas altertümlichen Tonfall, sehr diskret, auch wenn es um Sex geht.
Immer wieder fügt sie nachdenkliche Passagen ein – wenn Rann versucht, etwas oder gar sich selber zu verstehen. In diesen Passagen kann ich etwas von dem spüren, was Pearl S. Buck wichtig war – eine Haltung zum Leben und Tun, bei der das In-sich-Ruhen Grundlage ist.
Es ist also kein hochspannendes Buch, eher ein nachdenkliches. Auch wenn es tragische Todesfälle und den großen Liebesverzicht gibt.
Und – wie war’s?
Aus der Provenienz-Geschichte des Romans geht nicht hervor, wann Pearl S. Buck ihn geschrieben hat – er kann genauso gut ein frühes wie ein spätes Werk von ihr sein. Klar ist in meinen Augen schon, dass er noch nicht den letzten Schliff bekommen hat. Vielleicht hat sie sich sogar bewusst gegen eine Veröffentlichung entschieden …
Aus heutiger Sicht sind einige Inhalte und Meinungen durchaus kritisch zu betrachten. Doch ich gebe zu bedenken:
Ihre Prägung stammt aus einem Missionarshaushalt in China – hier ist sie aufgewachsen, mit sehr viel Nähe zur chinesischen Mentalität. Aber eben auch mit der zu einem Überlegenheitsgefühl der „Weißen“ gegenüber der alten Kultur. Obwohl sie die chinesische Kultur hochschätzt, kommt Bildung aus dem Westen. Das ist mir schon bei „Die Frauen des Hauses Wu“ aufgefallen, in der ein Missionar der Hausherrin die Welt öffnet. Für Pearl S. Buck ist die Unterschiedlichkeit der „Rassen“ selbstverständlich – aufgrund ihrer Erfahrungen. Sie ist in den letzten Jahren 19. Jahrhunderts geboren. Ihre Einstellung zum Thema „Mischlingsehen“, das am Ende eine so tragische Rolle spielt, ist aus ihrer Erfahrung zu verstehen – sie hat das so erlebt. Auch ihre Einstellung gegenüber der Sexualität ist eher bieder. Immerhin – sie kommt vor 😉 Dass Homosexualität bei einer so konservativ christlich geprägten Frau keine Option für ihren Helden ist, erklärt sich da von selbst.
Auch auf mich macht der Plot des Romans den Eindruck einer Versuchsanordnung – da Rann nie finanzielle Sorgen hat, ihn immer jemand auffängt und belehrt und versorgt, ist das ganze „Drama“ des Jungen in seinem Inneren. Und dem werden dann eben auch andere Figuren geopfert – durch Schablonenhaftigkeit und/oder Tod.
Ein Buch, das ich nicht noch mal lesen muss. Aber ich musste es lesen 😉. Für mich hat sich die Rubrik „Zuletzt zurückgegeben“ bei der Onleihe also mal wieder gelohnt.
Pearl S. Buck: Die Welt voller Wunder, übersetzt von Britta Mümmler, dtv, München, 2015, ISBN: 9783423146036
Bisher gibt es noch keine Kommentare