Ein neuer Roman aus der spätantik angehauchten Welt von Maike Claußnitzer – und ja, der Titel „Die Teeräuber“ und die Zeitangabe passen zusammen. Klar, der Tee ist erst viel später nach Europa gekommen, doch Maike Claußnitzer hat eine Welt nach ihrem Gusto geschaffen: Frauen in mächtigen Positionen, Papier und Tee im spätaniken oder frühmittelalterlichen Europa und ein entspannter Umgang mit Drachen, Geistern und Dämonen. Davon bekomm ich im neuen Roman die volle Packung.
Was erzählt Maike Claußnitzer?
Eine Geschichte in vielen verschiedenen Strängen, die immer nur einzelne Berührungspunkte haben. Am Anfang wirkt dieses Netz sehr locker – doch im dritten Drittel des Romans werden aus den einzelnen Fäden erkennbar Gewebe. Und die entwicklen Sog!
Die Handlung spiel in Aquae Calicis – wer von der Autorin schon mal was gelesen hat, kennt den Ort. Und auch einige der Figuren:
- die Richterin Herrad
- die Vögtin Justa
- Ratte, die Spionin
- Wulfila, ehemals Hühnerdieb, jetzt zweiter Schreiber Herrads und ihr Ehemann
- Lucius Licinius Laetus – den Geist des ehemaligen römischen Statthalters von Aquae Calicis
Mein Fehler war, mich an alles erinnern zu wollen, was ich vor fast zwei Jahren über dieses Personal erfahren habe – nicht nötig. „Die Teeräuber“ funktioniert auch alleine – die wirklich wichtigen Geschichten der Einzelnen kommen in Rückblicken und Erzählungen vor.
Warum „Die Teeräuber“? – Eine Ladung Tee taucht unverzollt und herrenlos in Aquae Calicis auf. Justa bittet Herrad, dem nachzuspüren. Aus dem benachbarten Sirmiacum tauchen hochstehende Personen auf – und bekommen Ärger mit dem Gericht, denn einem von ihnen wird Diebstahl bei einer Gastfreundin vorgeworfen. Seiner Geschichte folgend, kommt ein Konflikt zwischen einem Gutsbesitzer und einer Königsgutpächterin zum Tragen – außerdem enthüllt Wulfila ein altes Unrecht, das ihm dort widerfahren ist.
Sie sehen schon – die Geschichte lässt sich nicht einfach nacherzählen – das müssen Sie schon selber lesen. Jede Menge Familienfehde kann ich Ihnen versprechen.
Wie sieht die Erzählhaltung in „Die Teeräuber“ aus?
Einerseits ist es eine personale Erzählerin – sie schlüpft in die Haut derer, deren Szene gerade dran ist. Dabei bleibt sie aber personell eng an Herrad und ihren Haushalt gebunden – sie schaut also nicht mit den Augen Justas oder Godomars auf das Geschehen.
Im Grunde handelt es sich um einen Richterkrimi mit Fantasy-Elementen. Herrad und ihre Leute ermitteln, tragen zusammen, vergleichen, wägen ab. Dass dann der Geist eines römischen Statthalters mitmischt, ein Rabengeist sich einmischt und ein kleiner Drache gestreichelt werden will, macht die Geschichte einfach nur farbiger; und das auf sehr charmante Weise. Ich mag Gjuki sehr.
Hinzu kommen die sozialen Elemente – die Stellung der Frauen, die hohe und höchste Positionen völlig selbstverständlich einnehmen und deren Autorität auch nicht aus geschlechtsspezifischen Gründen angezweifelt wird. Wenn da jemand was zu motzen hat, dann weil es ihm oder ihr inhaltlich nicht passt.
Was mir ein paar Probleme bereitet hat, waren die Namen, besonders im Falle von Wulfila und seiner Familie: Er heißt Wulfila, sein Sohn Wulfin und sein Vater Wulf … Aber zum Glück gibt es vorne im Buch eine übersichtliche Tabelle der Personen – mit Namen und den Orten, wo sie hingehören.
Aktuelle Bezüge gibt es auch: Herrad erhält von Justa als verspätetes Hochzeits- und damit Versöhnungsgeschenk einen Ballen Tee – und das ist nicht der gute grüne Tee, sondern ein erstklassiger weißer Tee. „Weißer Tee“ ist auch bei uns seit einigen Jahren in aller Munde und gilt als besonders kostbar.
Maike Claußnitzer: Die Teeräuber, BoD; Norderstedt, 2019, ISBN: 9783750413702
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