Inhalt des Beitrags
Auf dieses Buch von Satoshi Yagisawa bin ich durch eine Rezension bei Ardeija gestoßen und fand es gleich interessant. Buchhandlung eben … Und dann noch Japan. Also: Besorgen und loslesen.
Was erzählt Satoshi Yagisawa?
Takako, die Ich-Erzählerin fällt in ein tiefes Loch, denn ihr Freund eröffnet ihr ungeniert, er heirate – eine andere. Ebenfalls Kollegin, im gleichen Betrieb. Takako kündigt, verkriecht sich und hat Angst, wieder in ihr Heimatdorf zurückzumüssen. Da macht ihr ein Onkel das Angebot, in ein leerstehendes Zimmer über seinem Antiquariat zu ziehen. Alles voller Bücher. Onkel Satorus Antiquariat liegt in einem Viertel voller Buchantiquariate, Jinbocho, in Tokyo – jedes mit eigenem Schwerpunkt. In seinem finden Interessierte vor allem Bücher der frühen Moderne der japanischen Literatur.
Takako hilft ein bisschen im Laden, schläft viel und noch mehr. Bis sie der Faszination der Bücher erliegt. Sie, die vorher maximal Manga gelesen hat, verschlingt nun, was sie im Laden findet. Mit Hilfe des Onkels schließt sie im Viertel Jinbocho auch enge Bekanntschaften – langsam kriecht sie aus ihrem Loch.
Dann taucht die Tante wieder auf – Onkel Satorus Frau war vor ein paar Jahren verschwunden. Nun ist sie wieder da. Takako arbeitet inzwischen wieder in der Stadt, in ihrem Beruf. Und lernt ihre Tante auf einer Wanderung neu kennen.
Mein Fazit von Takakos Erlebnissen:
Ja, Literatur kann heilsam sein. Aber anderes ist noch heilsamer – Menschen.
Wie erzählt Satoshi Yagisawa?
Die Ich-Perspektive verlangt Subjektivität. Andererseits erzählt Takao eine ganze Zeit nach den erzählten Ereignissen und kann deshalb die „Vogelperspektive“ einnehmen – so wie am Anfang:
Meine Zeit im Antiquariat Morisaki begann im Sommer und endete im Frühjahr des drauffolgenden Jahres. (…) Trotzdem hab ich diese Zeit nicht eine Sekunde vergessen. Warum? Weil sich dort mein Leben verändert hat.
S. 7
Immer wieder schleichen sich kleine Kommentare aus der späteren Zeit in die Erzählung und machen die kleine Distanz zwischen der Erzählerin und ihren Erlebnissen deutlich.
Satoshi Yagisawa hält die Perspektive sehr gut – ich glaube ihm jedes Wort seiner Protagonistin.
Frühe japanische Moderne?
Ein Spezialantiquariat für die frühe Moderne in Japan – was kann ich mir als Japan-Mögerin aber keineswegs -Kennerin darunter vorstellen? Zum Glück kannte ich zumindest einen der Namen, die der Onkel erwähnt: Tanizaki Jun’ichirō.
Drei seiner Essays aus dem Manesse-Verlag habe ich 2015 mal besprochen und mich mit ihm beschäftigt. Das hat mir geholfen, mir ein Bild der Literatur zu machen, die Takako umgeben hat – eine Literatur im Aufbruch, teils von damals moderner Literatur aus dem Westen beeinflusst; eine Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur. So habe ich das aus meiner Beschäftigung mit Tanizaki Jun’ichirō in Erinnerung.
Es handelt sich bei diesem schmalen Roman um ein Debut – von 2010. Und dann direkt mit einem Preis ausgezeichnet. Der Roman wurde auch sehr bald verfilmt.
Ich fand das Buch sehr lesenswert.
Satoshi Yagisawa: Die Tage in der Buchhandlung Morisaki, übersetzt von Ute Enders, Insel Verlag, Berlin, 2023, ISBN: 9783458643692
Die Stadtbibliothek Köln hat das Buch auch.
Romina
10. Juli 2023 at 23:36Liebe Heike,
klingt für mich als Japan-Fan nach einem Must-Read. 😉 Mir gefällt ja alles, was etwas tieferer in die japanische Kultur eintaucht und da scheint Satoshi Yagisawa Werk eine spannende Empfehlung zu sein.
Viele Grüße
Romina
Heike Baller
11. Juli 2023 at 10:51Das freut mich!