… Purzelbäume schlägt“ – was für ’ne Pflanze stellen Sie sich da vor? Ewald Weber hat ein kunterbuntes Sammelsurium an einheimischen Pflanzen zusammengestellt, die mit ihren Eigenschaften und Fähigkeiten staunen lassen. Und Purzelbäume schlägt: das Salzkraut. Es gehört zur Familie de Steppenroller. Meistens begegnen die uns in Westerfilmen. Damit die vertrockneten Bündel vom Wind übers Land getrieben werden können, müssen sie bestimmte Eigenschaften mitbringen:
- eine Sollbruchstelle
- fest sitzende Samenkapseln
- bruchfeste Zweige, die sich inheinader verhaken.
So erst entstehen die kugeligen Gebilde, die sich vom Wind verwehen lassen können. Wie Ewald Weber schreibt:
Sie sehen, es ist gar nicht so leicht, ein professioneller Steppenroller zu sein! (S. 69)
Worüber schreibt Ewald Weber?
Ewald Weber reist auf den Spuren der Pflanzen einmal von Nord nach Süd durchs Land – vom Seegras, das unter Wasser blüht an der Ostsee über die verschiedenen Ebenen und Mittelgebirge in Ost und West bis hin zum Hochgebirge, den Alpen. Die Vielfalt der Pflanzen reicht von winzigklein – Mauseschwänzchen – bis groß – Walnussbaum -, von weiß und blätterlos – Fichtenspargel – bis farbenprächtig – Diptam.
Den fünf Vegetationsgebieten sind jeweils fünf Pflanzen zugeordnet, so dass rechnerisch 25 Pflanzenporträts entstehen. Ewald Weber beschränkt sich aber nicht auf diese errechnete Anzahl, sondern stellt eine Vielzahl weiterer Pflanzen, manche auch deutlich außerhalb Deutschlands oder gar Europas, vor: die Verwandten von Walnuss, Seerose, Seidelbast und Kartoffelrose.
Umweltthemen wie Wasserverunreinigung und Klimaerwärmung spielen eine Rolle genau wie die Gefahr durch eingeführte Exoten – Ewald Weber ist halt Experte auf dem Gebiet der Biodiversität und Pflanzenökologie.
Spannend fand ich ja die Einschätzung einiger Pflanzen als „Ingenieure“ – Schilf und Artverwandte verändern z. B. ihre Umgebung und führen über längere Zeit zur Verlandung von Gewässern, so wie Strandhafer Dünen befestigt. „Ecosystem enngineer“ ist tatsächlich die Fachnbezeichnung solcher Gewächse.
Wie schreibt Ewald Weber?
Im Großen und Ganzen leicht verständlich und durchaus unterhaltsam. Manche Passagen lesen sich ein bisschen trockener als andere – er befleißigt sich aber bewusst eines aktiven Wortschatzes und kräftiger Bilder. Die einzelnen Beiträge sind in sich mehrfach unterteilt. Diese Zwischenüberschriften wecken häufig Neugier:
- Phönix aus dem Sand – Strandhafer
- Von Unkraut überrollt – Salzkraut
- Wer besucht das Edelweiß?
- Die Frucht, ein Anker – Wassernuss
Im Großen und Ganzen also ein Buch mit echtem Erkenntnisgewinn – und trotzdem eher eine „leichte Lektüre“.
Zu Jeder Pflanze gibt es ein Aquarell oder eine Zeichnung von Rita Mühlnbauer, um sich im Wortsinne ein Bild machen zu können.
Ewald Weber: Die Pflanze, die gern Purzelbäume schlägt … und andere Geschichten von Seidelbast, Walnuss & Co. Mit Ilustrationen von Rita Mühlbauer, oekom Verlag, München, 2018, ISBN: 9783960060284
Die Stadtbibliothek Köln hat das Buch auch im Bestand.
Maike
6. Juni 2018 at 8:55Das klingt sehr nett und interessant! Gerade über die Tumbleweeds weiß ich eigentlich viel zu wenig.
Heike Baller
6. Juni 2018 at 9:00Wow, Maike, auch gleich noch die Fachbegriffe in der Tasche – ich bin beeindruckt. Für mich ist die Sache mit dem Walnussbaum spannend – wir haben hier in der Nachbarschaft einen wegmachen lassen müssen und denken über was Neues an der Stelle nach – nach der Lektüre gehe ich davon aus, dass wir aber erst mal Erde austauschen müssen …