Ich bin meiner Freundin so dankbar, dass sie mir den Tipp für die gestrige Lesung in der Lengfeld’schen Buchhandlung gegeben hat: Helge Heynold las „Die Nacht vor Weihnachten“ von Nikolaj Gogol und es war großartig.
Was erzählt Nikolaj Gogol?
Im Dorf Dikanka leben
- der Kosak Tschub mit seiner schönen Tochter Oxana
- der in Oxana verliebte Schmied Wakula und seine Mutter Solocha, eine Hexe
- der Gevatter Tschubs und seine Frau, der Weber und seine Frau, der Küster und seine Frau, der Schultheiß, eine Menge junger Mädchen und Burschen
Außerdem wirkt mit: Ein Teufel.Sein Anliegen ist es, dem jungen Schmied einen Streich zu spielen, denn dieser fromme Mann hat nicht nur allen Versuchungen widerstanden, sondern auch noch für die Kirche ein Gemälde angefertigt, das dem Teufel missfällt. Die Nacht vor Weihnachten ist die letzte des Jahres, in der er frei herumschwirren kann. Damit Wakula beim Rendez-vous mit Oxana nicht ungestört sei, stiehlt der Teufel den Mond vom Himmel. Denn in dunkler Nacht wird Tschub nicht aus dem Haus gehen und sei die Einladung zum Festessen beim Küster noch so verlockend. Doch der Teufel irrt – in Gegenwart des Gevatters will sich Tschub keine Blöße geben und marschiert los.
Oxana ist eine selbstverliebte Schönheit von 16 Jahren – Wakula weiß das, liebt sie aber trotzdem. Als sie im Scherz verspricht, ihn zu heiraten, wenn er ihr Schuhe bringt, wie die Kaiserin Katharina sie trägt, will er sich erst umbringen. Dann begibt er sich aber zum Schwarzmagier am Ort, um ihn um Rat zu fragen.
Was er nicht weiß: In dem Sack, den er auf dem Rücken trägt, hockt der Teufel selbst. Solocha bekam an diesem Abend Besuch von all‘ ihren Verehrern und jeder verkroch sich vor den anderen in einen Sack – als erster der Teufel. Wakula wollte die Säcke, in denen eigentlich Kohle sein sollte, in seine Werkstatt bringen. Als letzter der Säcke hat er diesen dabei. Nun meint der Teufel, er habe die Chance, Wakulas Seele zu erlangen und verspricht ihm das Blaue vom Himmel. Waklua geht drauf ein.
Was dann passiert, das sollten Sie selber lesen … Oder sich vorlesen lassen.
Wie erzählt Nikolaj Gogol?
Weitschweifig, ausführlich, mäandernd und bezaubernd. Bei jeder Szene gibt es eine Vielzahl an Informationen zu Vorleben und -lieben der Person. Die neue Mode, Pelzmäntel mit Tuch zu überziehen, ist ebenso Thema, wie die Unfehlbarkeit des Assessors, jede Hexe zu erkennen. Jede Begebenheit schildert Nikolaj Gogol detailliert und genau. Schon diese Beschreibung am Anfang zeigt das:
„Du bist also noch nicht beim Küster in seinem neuen Hause gewesen, Gevatter?“ fragte der Kosak Tschub, aus seinem Hause tretend, einen langen Bauern in kurzem Schafspelz und mit einem dichten Bart, der davon zeugte, daß ihn das gebrochene Sensenstück, mit dem sich die Bauern in Ermangelung eines Rasiermessers zu rasieren pflegen, seit mehr als zwei Wochen nicht berührt hatte. (Quelle)
Nikolaj Gogol darf so schreiben. Ich als Bloggerin nicht …
Es ist ein wunderbares Stück Literatur mit einem eigenen Blick auf die Weihnachtszeit. Wer in dieser bei uns doch eher hektischen „besinnlichen“ Zeit runterkommen will, hat hier die Möglichkeit, sich richtig aus dem Alltag holen zu lassen.
Nikolaj Gogol: Meistererzählungen, übersetzt von Bruno Goetz, Manesse Verlag, Zürich, 2002, ISBN: 9783717511588
Maike
27. November 2018 at 11:35Das klingt nach sehr charmanter und zur Jahreszeit passender Lektüre! Deine Schilderung und das Zitat machen wirklich neugierig auf mehr. Und um zum Schluss noch völlig das Thema zu verfehlen: Der Name „Solocha“ hat mich aufhorchen lassen, weil so auch ein berühmter skythischer Kurgan heißt, in dem man großartige Funde gemacht hat.
Heike Baller
27. November 2018 at 12:15Liebe Maike, was ist ein skythischer Kurgan…?
Die Erzählung macht auf jeden Fall Freude – so eine variationsreiche Sprache. Bei manchen Wörtern habe ich gedacht:“Oh ja, die gibt’s ja auch noch!“
Viel Spaß beim Entdecken und liebe Grüße
Heike
Maike
27. November 2018 at 15:25Liebe Heike,
wenn sonst außer Gebrauch gekommene Wörter in einer Geschichte vorkommen, macht das oft großen Spaß, das kann ich verstehen!
Ein Kurgan ist ein Grabhügel, und die Skythen waren eurasische Reiternomaden in der Antike (unter anderem hat der griechische Geschichtsschreiber Herodot über sie berichtet). In Solocha in der Ukraine gibt es solch einen Kurgan; der bekannteste Fund von dort ist ein goldener Kamm, der mit einer Darstellung eines Kampfes zwischen einem Reiter und zwei Männern zu Fuß verziert ist.
Liebe Grüße
Maike
Heike Baller
27. November 2018 at 15:28Oh, danke für die Erklärung. Wenn ich das richtig einordne,spielt die Geschichte auch eher in der Ukraine als in Russland (bis auf die Szene am Hof Katharinas der Großen). Von daher passt der Name gut rein.