Die Münchmeyer-Romane von Karl May – Der Weg zum Glück

Die Münchmeyer-Romane von Karl May – Der Weg zum Glück

In der Zeit von Juli 1886 bis August 1888 erschien mit „Der Weg zum Glück“ der letzte der Münchmeyer-Romane von Karl May. Er stellt eine Art Denkmal für den kurz vor Beginn der Serie ertrunkenen bayerischen König Ludwig II dar. Neben dem immer wieder als Deo ex machina auftauchenden König ist die zentrale Figur schlechthin  der Wurzelsepp.

Der Inhalt

Die Geschichte beginnt ur-bayrisch auf einer Alp unter kräftigem Gesang und Gejodel: Der Wurzelsepp und seine Patentochter, die  Murenleni, musizieren miteinander. Nach dem Abschied des Alten muss sich die Leni gegenüber den Jager-Naz durchsetzen, der das hübsche Mädchen gern als seinen Schatz hätte. Wurzelsepp hingegen begegnet auf seinem Abstieg dem König, der in der Sennhütte übernachten will, um am nächsten Tag auf die Jagd zu gehen. Schon in diesen ersten Dialogen wird deutlich, wie hoch der Autor Frömmigkeit, Bescheidenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft stellt – und das gilt für alle Figuren, also auch für Ludwig II.

Wurzelsepp und Leni terffen sich - die groben Schnitte stammen aus der Erstausgabe
Wurzelsepp und Leni treffen sich – die groben Schnitte stammen aus der Erstausgabe

Der Krikelanton, ein bekannter Wilddieb, rettet in dieser Nacht nicht nur König Ludwig das Leben, sondern verspricht der Leni auch, sich der Polizei zu stellen und im Anschluss an seine Gefangenschaft ein ehrbares Leben zu beginnen. Er wird verfolgt, rettet sich auf halsbrecherische Weise über einen gefährlichen Grat, wird von einer verrückten Schriftstellerin über die Grenze ins Österreichische zu seinen Eltern gerettet, rettet dort seinerseits die Frau eines Musikprofessors aus den Bergen und stellt sich im Anschluss der Behörde. Inzwischen hat König Ludwig der Sennerin Leni unterbreitet, er möchte sie als Sängerin ausbilden lassen. Nach einigem Hin und Her entschließt sich Leni, das Angebot anzunehmen; vorher jedoch bittet sie den Krikelanton frei. Der nun ist von der Idee, dass das Mädchen, mit dem er sich so gut wie verheiratet sieht, zur Bühne gehen soll, überhaupt nicht einverstanden. In seinen Augen ist dies der erste Schritt in den moralischen Abgrund. Doch Leni fühlt sich dem König verpflichtet und verlässt die Alp. Der Wurzelsepp unterstützt sie und kritisiert den Krikelanton.

Der nächste Handlungsstrang setzt mit grundsätzlich neuem Personal ein, doch König Ludwig und der Wurzelsepp tauchen auch hier wieder auf. Der gichtkranke Müller schikaniert sein Personal vom Lehnstuhl aus mit der Peitsche – deshalb wird er Peitschenmüller genannt. Auch hier gibt es ein schönes Mädchen, nämlich seine Tochter, die sich gegen Nachstellungen eines unerwünschten Bewerbers, der allerdings von ihrem Vater als ihr zukünftiger Verlobter betrachtet wird, zu wehren hat und dabei Unterstützung bei den jungen Mann findet, der als Waisenkind in den Haushalt kam und mit ihr aufwuchs. Er gilt als der niedrigste aller Bediensteten des Peitschenmüllers. König Ludwig II in Begleitung von Richard Wagner hat sich in einem anderen Gebäude des Peitschenmüller eingemietet, um dem ersten Auftritt seiner Protegée „Mureni“ – eine Abwandlung von Murenleni – beizuwohnen. Es gibt nun eine Reihe von Verwicklungen, die einerseits die Herkunft des Waisenknaben Fex betreffen, als auch verschiedene Liebessachen. So will der italienische Musikmeister Rialti mehrfach die Leni beim Umkleiden ausspähen, was ihm die Verachtung aller redlich denkenden Männer in ihrem Umkreis einbringt. Der Krikelanton, nun als Hausierer tätig, möchte Leni, die er immer noch als die Seine betrachtet, von der Bühne fernhalten, was ihm nicht gelingt. Die Tochter des Peitschenmüllers und der Waisenknabe Fex sind einander gut – sehr zur Freude des Wurzelsepp. In diesem Abschnitt gibt es eine Reihe sehr komischer Figuren und Szenen: zum einen den Hochzeitsbitter, der ausgesandt wird, um die Verlobung der Müllerstochter bekannt zu machen. Zum anderen führt der Wurzelsepp den Peitschenmüller und seinen erwünschten Schwiegersohn regelrecht vor; mithilfe dieser Posse erlangen er und sein Freund Fex die Papiere aus dem Lehnstuhl des Müllers, die darauf hinweisen, dass Fex nicht einfacher Herkunft ist. Beim großen Schlusskonzert feiert nicht nur Leni einen großen Triumph, sondern auch der Wurzelsepp, der mit ihr zusammen auftritt und Fex, der, nachdem der italienische Musikmeister aus dem Weg geschafft wurde, als Geiger brilliert. Der Abschnitt endet mit einem beleidigenden G‘stanzl-Singen zwischen Leni und dem Krikelanton, in dessen Folge der Musikprofessor, dessen Frau der Krikelanton mal gerettet hatte, den jungen Mann zwecks Ausbildung mit sich nimmt, denn eine solche Tenorstimme hat er noch nie gehört.

Sie merken schon, Karl May hängt in diesem letzten seiner Münchmeyer-Romane verschiedene Geschichten aneinander; wir kommen nun zu der um den Silberbauern.

Die Tochter des Silberbauern muss sich einiges anhören - doch letzten Endes wird sie die Frau von Max Walter, dem Lehrer
Die Tochter des Silberbauern muss sich einiges anhören – doch letzten Endes wird sie die Frau von Max Walter, dem Lehrer

Ähnliche Konstellationen wie beim Peitschenmüller: Der reiche und durch das Schultheißamt mächtige Bauer Claus drangsaliert die Dorfbevölkerung und hat nach Aussage einiger seiner Bewohner so einiges auf dem Kerbholz, zum Beispiel, dass der Finkenheiner nicht nur einen Arm, sondern auch seine Frau verlor oder dass der Bauer Balzer sowohl um Hof und Vermögen als auch um seinen Verstand kam. Der Wurzelsepp hat auch hier einen Freund, nämlich den Finkenheiner. König Ludwig reist auch an diesen Ort, diesmal ohne Richard Wagner, und wird nach der Aufdeckung über Machenschaften durch den Wurzelsepp die gerechte Ordnung wiederherstellen. Ganz unverbunden ist die Geschichte um den Silberbauern nicht, denn es stellt sich heraus, dass er und der Peitschenmüller etwas mit der Vergangenheit des Fex zu tun haben.

In dem Abschnitt rund um den Silberbauern gab es als neu eingeführte Lichtgestalt den Lehrer Max Walter – auch er ein Waisenkind, um den Hals ein Kreuz, dem eine Ecke fehlt. Das führt im folgenden Abschnitt dazu, dass der Wurzelsepp ihn mit seiner Mutter zusammenbringen kann. Die Ursache des Leids, das im folgenden Teil des Romans behandelt wird, ist die Habgier und moralische Verwerflichkeit eines Adligen. Er hat nicht nur die Mutter von Max sitzen gelassen, sondern auch eine Familie ruiniert. Als seine Tochter Milda davon erfährt, distanziert sie sich vom Vater und macht sich daran, sein Unrecht wieder gut zu machen. Vorher jedoch hat der Vater den uns bereits bekannten Musikprofessor mit seinem Protegé Krikelanton zum Zwecke der ruhigen, ungestörten Ausbildung zu ihr gesandt. Außerdem eine junge Frau, adlig, hochmütig und sinnenfroh, in deren Gesellschaft der junge Mann Bekanntschaft mit echter Leichtfertigkeit macht; sie gefällt ihm nicht schlecht. Sie sehen, der Krikelanton misst mit zweierlei Maß. Ein Unwetter führt Milda mit einem jungen Mann zusammen, der, ohne dass sie es ahnt, der ruinierten Familie angehört, die zu suchen ihre neue Aufgabe wird. Als Hausherrin ihres Schlosses – ihr Vater hat da keine Verfügungsgewalt – möchte sie dort bauliche Veränderungen durchführen lassen und hat den Wurzelsepp um eine Empfehlung gebeten. Und wen empfiehlt er ihr? Sie ahnen es schon: den jungen Mann, der ihr beim Gewitter beistand. Wie zu erwarten, ist auch König Ludwig in der Gegend und trifft in einem Bettler einen Mann, der über die Machenschaften von Mildas Vater genau Bescheid weiß. Auch in dem Ort, in dem der König ankommt, gibt es Arbeit für den Architekten Rudolf.

Der nächste Teil des Romans spielt in der Nähe von Pilsen. Ähnlich wie Silberbauer und Peitschenmüller agiert der – vermeintlich – reiche Bauer Kery als Haustyrann. Und auch hier ist eine dem Mädchen, seiner Tochter Gisela, unliebsame Eheschließung vorgesehen. Als richtiger Mann im Sinne Karl Mays tritt hier der Großknecht Ludwig Held (was für ein Name!) auf. Einer der Zigeuner, die den Bauern Kery in Schwierigkeiten bringen könnten, ist dem Wurzelsepp aus der Episode um den Silberbauern bekannt und so tut er sich mit dem Großknecht zusammen, um die Geheimnisse aufzudecken. Gleichzeitig ist auch König Ludwig unterwegs, um Wohltaten eigenhändig zu verteilen, unter anderem an die Mutter von Ludwig Held. Sein Inkognito erlaubt es ihm, Beobachtungen zu machen, die dann zur Ergreifung der Täter führen.

Die nächste Episode um Samiel war ursprünglich eine eigene Erzählung, die Karl May hier nun eingefügt hat und durch das Auftreten von Wurzelsepp und König Ludwig mit dem gesamten bisherigen Geschehen verbunden hat. Es ist die Geschichte nicht nur einer ungetreuen, sondern auch verbrecherischen Frau, die als Mann verkleidet Raubzüge ausführt und ihren eigenen Mann durch einen Schuss zum Blinden machte.

Der vorletzte Teil des Romans beginnt in Wien. Hier begegnen wir Leni und Krikelanton wieder, die beide als Sänger und Sängerin unter anderen Namen Erfolge feiern. Während Leni weiterhin ein ehrbahres, frommes und anständiges Leben führt, ist der Krikelanton auf die schiefe Bahn geraten. Er hat sich auf einen Hochstapler eingelassen und ist dazu noch eine Liebschaft mit einer Diebin eingegangen.

So lernen sich die beiden Männer kennen, die Leni am meisten lieben: Ihr Pate undihr spätererEhemann
So lernen sich die beiden Männer kennen, die Leni am meisten lieben: Ihr Pate undihr spätererEhemann

Wer sich aber auch in Wien aufhält, ist der Wurzelsepp, auf das Feinste ausgestattet, elegant gekleidet und unter dem Namen Josef von Brendel. Als neue Bekanntschaft kommt nun Graf von Senftenberg hinzu, ein Musikliebhaber, der sich im Laufe der Zeit mit der Leni einig wird. Der Hochstapler aus Krikelantons Bekanntschaft ist unter verschiedenen Namen berüchtigt und wird von der Polizei gesucht. Seine Machenschaften führen den Wurzelsepp und seine Begleiter nach Italien. Dort sind bereits der Lehrer und Dichter Max Walter und der Sohn des Finkenheiner – beide bekannt aus der Episode um den Silberbauern. Gemeinsam lassen die Männer einen Mädchenhändlerring auffliegen und für den bisher unverliebten Maler Hans – also den Sohn des Finkenheiner – findet sich hier auch ein Mädchen, Anita.

Im quasi letzten Teil des Romans kommt es zum großen Show-down. Alle künstlerisch tätigen Männer, die uns bisher begegnet sind, sind an der Einweihung des neuen Theaterhauses beteiligt:

  • Rudolf, der Architekt
  • Hans, der Maler
  • Fex, der Komponist (heißt inzwischen natürlich anders)
  • Max, der Dichter

Und dann singen noch die Leni und der Krikelanton mit. Leni wird eine Gräfin und der Krikelanton muss sich von der Leni einiges anhören über seinen Egoismus und seine Herzlosigkeit, denn während er die reichlichen Honorare verprasste, mussten seine Eltern darben und hungern.

Zum Schluss des Romans gibt es noch einen richtigen Abschluss – und der ist traurig. Wir erfahren, dass alle Paare des Romans glücklich miteinander leben und weiterhin miteinander in Kontakt stehen. Eine neue Figur tritt auf, die in der Nähe von Possenhofen Ferien macht und ein Quartier sucht – eine junge Frau aus Hannover  namens Marga. Anita, die italienische Frau des Malers Hans, empfiehlt ihr ein kleines Haus auf der anderen Seite des Sees – es ist die Heimstatt, die der Krikelanton seinen Eltern geschaffen hat. Hierhin kommt nun im Juni 1886 völlig aufgelöst und schwerst krank der Wurzelsepp. Er hat erfahren, dass König Ludwig als geisteskrank eingesperrt werden soll. Da es um den alten Mann sehr schlecht steht, telegraphieren Hans und Anita allen, die mit dem Wurzelsepp in Verbindung stehen und ihm einiges zu verdanken haben. Auch die Eltern des Krikelanton depeschieren ihrem Sohn. So treffen alle an Sterbebett des alten Mannes ein. Die Leni singt für ihn und verspricht ihm, an seiner Gedenktafel seine Zither und einen Veilchenkranz anzubringen. Der Wurzelsepp stirbt, bevor die Nachricht vom Tod Ludwigs II eintrifft. Bevor die Handlung endgültig schließt, liest Leni den Krikelanton noch einmal tüchtig die Leviten, so dass er nun seinen Stolz ablegen kann und mit Marga, dem Hausgast seiner Eltern, glücklich werden kann.

Ausgaben

In Karl-May-Verlag gab es von diesem mehr als 2500 Seiten umfassenden Werk in meiner Jugend 3 Bände: Silberbauer, Peitschenmüller und Wurzelsepp. Inzwischen sind die Bände „Der Habicht“ und „Das Rätsel von Miramare“ hinzugekommen sowie ein Kapitel in dem Band „Verschwörung in Wien“. Wie bei den anderen Münchmeyer-Romanen auch halten die Karl-May-Gesellschaft und das Gutenberg-Projekt den Volltext digital parat. Im Karl-May-Wiki gibt es Informationen zur Textgeschichte. Das ganze Werk ist auch in der historisch-kritischen Ausgabe vertreten.

Persönlicher Eindruck

Ehrlich gesagt, habe ich dieses umfangreiche Werk erst im Vorbereitung dieses Artikels über die Münchmeyer-Romane vollständig gelesen. Karl May bemüht sich mit einem fürchterlichen Sprachduktus, der bayerischen Dialekt vorgeben soll, um den nötigen Lokalkolorit. Da der Roman sehr dialoglastig ist, gibt es weite Passagen in dieser schwer erträglichen Diktion, so dass mir die Lust daran vergangen ist. Andererseits gibt es in diesem Roman eine Menge zu entdecken. Karl May bringt manche Sachverhalte sprachlich sehr hübsch auf den Punkt, so in dieser Bemerkung des Wurzelsepp:

Dreck ist Dreck. Oder meinst, dass es nur bei einem Bauern Dreck ist, bei einem Bürger Schmutz und bei einem Vornehmen Reisestaub? (S.305/306)

Was mich aber noch mehr erstaunt hat, waren die Ansichten, die Leni und Milda über die Verfügungsgewalt von Frauen über ihr eigenes Vermögen vertreten. Auch bei anderen der Paare gibt es recht moderne Ansichten über das Verhältnis von Mann und Frau – die hätte ich meinem alten Freund Karl May gar nicht zugetraut.

Linksammlung

In der Stadtbibliothek Köln gibt es zwei der Bände aus dem Karl-May-Verlag (Kinderbücherei, Untergeschoss, Sign. 22.4, Sonderaufstellung „Klassiker“):

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

2 Comments

  • Maike

    8. November 2016 at 11:57 Antworten

    Ich habe den Roman nie gelesen, aber bei dieser Handlungsschilderung mehr als einmal kräftig lachen müssen – danke dafür, für die differenzierte Einschätzung zum Schluss und auch und vor allem noch einmal für diese ganze herrliche Serie von Blogbeiträgen, die ich wirklich sehr genossen habe.

    • Heike Baller

      8. November 2016 at 14:02 Antworten

      Danke für die Blumen *knicks*
      Und für Dezember hab ich noch was in petto 😉

Einen Kommentar hinterlassen