Die Macht der Geographie von Tim Marshall

Die Macht der Geographie von Tim Marshall

Im Untertitel verpricht Tim Marshall „Wie sich Weltpolitik anhand von 10 Karten erklären lässt“ – na ja, so einfach ist es nun auch wieder nicht. Aber ich fand den Ansatz wirklich erhellend. Geopolitik hab ich bisher immer so verstanden, dass es z. B. um Gebietserweiterungen an sich geht oder um an Rohstoffe zu kommen. Dass Geographie Politik bestimmen kann, ja, die Entwicklung von Gesellschft – das war mir neu.

Worum geht es Tim Marshall?

So wie ich ihnverstehe, möchte er einen übersehenen Aspekt von Politik und Geschichte ins Bewusstsein holen – eben die Geographie.

Zwei Dinge haben mir nach seiner Darstellung direkt eingeleuchtet:

Russland hat eine offene Flanke nach Westen – kein Gebirge schirmt das Riesenreich ab. Und – schwupps – schon sind Aggressoren da: Napoleon und Hitler sind die bekanntesten Vertreter. Hübsch fand ich ja den Anfang des Buches:

Wladimir Putin bezeichnet sich als religiösen Menschen, als engagiertes Mitglied der Russisch-Orthodoxen Kirche. Es könnte also gut sein, dass er, wenn er abends zu Bett geht, seine Gebete spricht und Gott fragt: »Warum hast du nicht ein paar Berge in die Ukraine gestellt?«

Erste Sätze im Vorwort (in meinem E-Reader fehlen die Seitenangaben, es gibt stattdessen Prozentangaben …)

Im Kapitel zu Russland entfaltet Tim Marshall dieses Szenario dann weiter.

Das andere war der Unterschied zwischen Afrika und Europa. Hier spielen Flüsse eine Rolle:

  • Europa besitzt viele Flüsse, die a) schiffbar sind und b) miteinander verbunden. Die ideale Voraussetzung für Handel, Austausch und dergleichen Dinge. Auch für Kriege, klar – aber die anderen Aspekte wiegen auf die lange Sicht schwerer.
  • Afrika dagegen hat Flüsse, die so einzeln vor sich hinfließen und z. B. wegen großer Höhenunterschiede oder den Verlauf durch unwegsames Gelände nicht schiffbar sind. Diese unveränderliche Ausgangssituation macht innerafrikanischen Handel schwierig.
Europakarte, die alle Flüsse anzeigt - weiß mit vielen blauen Linien ...
Europa ist wassserreich und reich an Flüssen, wie diese Karte zeigt. Bernhard Uff dem Sand, Europa – Stadt – Land – Fluss 3, CC BY-SA 4.0

Wussten Sie, dass für internationalen Schiffsverkehr, für Häfen bestimmte geographische Voraussetzungen nötig sind? Afrika und Südamerika sind da schlechter gestellt als Europa …

Tim Marshall geht in 10 Kapiteln den unterschiedlichen Bedingungen auf der Welt nach, die die Geographie so liefert – Russland, China, USA, Westeuropa, Afrika, der Nahe Osten, Indien und Pakistan, Korea und Japan, Lateinamerika und zum Schluss die Arktis.

Wie schreibt Tim Marshall?

Sehr sachlich, mit Anmerkungen, wie er selber eine Lage einschätzt

Akademiker und Journalisten schreiben gern, der Kontinent stehe am »Scheideweg«, und meinen damit, er stehe endlich vor dem Aufbruch in eine große Zukunft. Ich möchte eher behaupten, dass er, geographisch betrachtet, nicht am Scheideweg steht, sondern da, wo Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagen. Überall in diesem riesigen Gebiet passiert viel, aber das Problem ist, dass das meiste davon weit entfernt von allem geschieht.

bei 81 % des Buches

Es ist ganz klar ein Buch, dass seinen Schwerpunkt auf Information legt und dabei lesbar sein will. Und das schafft es auch 😉

Tim Marshall: Die Macht der Geographie, übersetzt von Birgit Brandau, dtv, München, 7. Auflage, 2017, ISBN: 9783423428569 (E-Book)

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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