Die Entdeckung der Currywurst von Uwe Timm

Die Entdeckung der Currywurst von Uwe Timm

Frau Brücker hält den Erzähler hin – und das gibt Uwe Timm an die Leserinnen eins zu eins weiter. Die Entdeckung der Currywurst ist der Schlusspunkt einer Geschichte, die 1945 spielt: Krieg, Bombennächte, Trümmer, Durchhalteparolen, Lebensmittelkarten, ein Deserteur, dem Frau Brücker das Kriegsende verschweigt.

Uwe Timm erzählt federleicht, wechselt die Perspektiven, wechselt zwischen Nähe und Distanz, lässt mich die Tage von Ende April ’45 bis zum beginnenden Sommer wirklich miterleben. Die Rahmenhandlung – der Erzähler im Gespräch mit der alten Frau Brücker – bietet dann auch persönliche Erinnerungen des Mannes, der seine Currywurst am liebsten bei Frau Brücker auf dem Großneumarkt gegessen hat.

Sie soll diese Wurst entdeckt haben. Und er will wissen, ob an den Gerüchten aus seiner Kindheit und Jugend was dran ist. Deshalb besucht er die alte Frau mehrmals mit Kuchenplatte im Altenheim, wird ungeduldig, wenn sie abzuschweifen droht und bewundert ihre Fähigkeit, trotz erblindeter Augen einen Pullover mit Baum und Hügel und Himmel zu stricken.

Hamburg Liberation 05
Die Befreiung Hamburgs durch britische Soldaten – Frau Brücker verschweigt dem jungen Mann in ihrer Wohnung, dass der Krieg endgültig vorbei ist. Konfliktpotential …
Am Ende gibt es auch die Entdeckung der Currywurst – ja, doch -, aber der Weg dahin, die Geschichte der Frau, die sich im Hamburg des Jahres 1945 durchschlägt, ihre Ehe- und Familiengeschichte, die Umstände, unter denen damals Leben stattfand, das ist das Faszinierende an der Novelle, wie Uwe Timm sie nennt.

Die Rezension gehört in die Reihe der Besprechungen hier im Blog, die das Thema des Kriegsendes vor 70 Jahren behandeln: Thema ’45.

Uwe Timm: Die Entdeckung der Currywurst. Novelle, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2013, ISBN: 978-3-462-30761-0

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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