Eine 77-jährige Newcomerin – das ist Jennifer Quinn, die Heldin des Debut-Romans von Olivia Ford. Und sie nimmt mich gleich mit ins Geschehen.
Was erzählt Olivia Ford?
Nach einem kursiv gedruckten Vorspann, in dem ein handgeschriebenes Rezeptbuch eine Rolle spielt, lerne ich Jennifer und Bernard Quinn kennen – sie backt gerade einen Teekuchen und er kommt vom Arzt mit einem neuen Gerät. Er ist gesundheitlich nicht mehr ganz auf der Höhe. Kein Wunder, er hat jahrzehntelang als Schreiner gearbeitet und die beiden stehen kurz vor ihrem 60. Hochzeitstag. Das Thema Sterben beschäftigt Jennifer zunehmend. Und die Frage, was sie denn im Leben geschafft hat.
Backen ist das Thema des Buches: Jennifer ist die beste Bäckerin in weitem Umkreis. Und sie liebt die Backshow im Fernsehen. Mit 77 Jahren bewirbt sich Jennifer, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben. Eben weil sie sich fragrt, was sie denn schon geschafft habe …
Sie backt noch mehr als sonst – sie, die sowieso schon jeden Tag backt. Sie kommt in die Vorauswahl – und wird eine der Kandidat*innen. Irgendwann muss sie Bernard einweihen. Er glaubt fest daran, dass sie es schaffen kann.
Mit ihrer Messingwaage und den Gewichten zieht sie nun im Fernsehstudio ein, lernt neue Menschen kennen und schließt Freundschaft mit Menschen, die ein ihr völlig unvertrautes Leben führen, ganz besonders mit einem jungen Mann, der ihr zu Anfang geholfen hat. Gemäß den Vorstellungen aller Selbstoptimierungscoaches begibt sie sich außerhalb ihrer Komfortzone und entwickelt sich weiter.
Parallel gibt es eine Spur der Unruhe: In ihrem Leben gibt es ein Erlebnis, von dem Bernard nichts weiß.
Mich schrie die Auflösung sehr früh an – das mag mit dem Prolog zu tun haben, der eine Spur legt. Die letztendliche Auflösung ist wirklich gut gelungen, finde ich.
Was Olivia Ford vor allem hervorhebt: Die Liebe der beiden, das Vertrauen Bernards in Jennifer und die unverbrüchliche Zuneigung und Loyalität beider. Klingt kitschig? Vielleicht. Aber die Atmosphäre der beiden über 70-Jährigen, die miteinander alt geworden sind, ist bewegend. Laut Klappentext und anderer Infos, hat die Geschichte ihrer Großeltern sie inspiriert.
Natürlich gibt es ein paar dramatische Höhepunkte – Jennifer hätte das Backduell beinahe aufgegeben. Aber am Ende ist, wie es sich für einen Unterhaltungsroman gehört, alles im Lot.
Wie schreibt Olivia Ford?
Sehr plastisch, was mir besonders in einer Szene am Anfang auffiel, in der Jennifer den Tagesanfang aus dem Bett heraus verfolgt:
Während sie gemächlich den Schlaf hinter sich ließ, hörte sie das Klappern der Arzneifläschchen, gefolgt von mehreren keuchenden Atemzügen, als Bernard den neuen Inhalator benutzte. Dann kamen das Rumpeln des Wasserkochers, kurz bevor das Wasser aufwallte, das schmatzende Geräusch der Kühlschranktür, als er die Milch herausholte, und der dumpfe Aufschlag der Zeitung, die auf der Fußmatte landete.
S. 14
So kann ich Jennifer und Bernard gut durch ihren Alltag folgen, sehe und höre, was ihnen passiert.
Eine hübsche Idee: Jedes Kapitel bezeichnet ein Gebäck, das in dem Abschnitt dann auch eine Rolle spielt. Außerdem schildert Olivia Ford die Zubereitung der Leckereien ziemlich detailliert – fast könnte ich sie nachbacken.
Ein Unterhaltungsroman mit einer ungewöhnlichen Protagonistin und einem interessante Plot – in meinen Augen anrührend, ohne kitschig zu sein.
Olivia Ford: Der späte Ruhm der Mrs. Quinn, übersetzt von Sonja Rebernik-Heidegger, dtv, München 2024, ISBN: 9783423283823
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