Der Report der Magd von Margaret Atwood

Der Report der Magd von Margaret Atwood

Ja, das habe ich jetzt das erste Mal gelesen. Und bin von Margaret Atwoods Stil begeistert.

Was erzählt Margaret Atwood?

In den Beschreibungen las ich immer was von Dystopie und das hat mich jahrzehntelang (!) abgeturnt. Es ist eine Dystopie – aber es ist großartig.

Eine namenlose Ich-Erzählerin schildert ihren Alltag in einer Gesellschaft, der Republik Gilead, die Frauen in Kategorien unterteilt:

  • Ehefrauen – blaue Kleidung
  • Töchter – weiße Kleidung
  • Haushaltshilfen – genannt „Marthas“ – grüne Kleidung
  • Mägde – rote Kleidung
  • Tanten – braune Kleidung
  • Ökonofrauen – gestreifte Kleidung (sie müssen als Arme mehrere Funktionen erfüllen)
  • Unfrauen – graue Kleidung
  • Jesebels – Glitzerkram

Die Einordnung hat mit der Fruchtbarkeit der Frauen zu tun. Die Fruchtbarkeit oder gar Unfruchtbarkeit von Männern ist kein Thema, ja ein strafwürdiges Tabu.

Wenn Ehefrauen keine Kinder bekommen können, wird dem Mann, meist aus der Reihe der Kommandanten, der höchsten Ebene, eine Magd zugeordnet. Sie ist dafür da, ein Kind von ihm zu empfangen. Damit es als eheliches Kind gilt, muss der Zeugungsakt völlig unpersönlich und leidenschaftlos und in Gegenwart der Ehefrau stattfinden.

Die Gesellschaft orientiert sich an ausgewählten biblischen Idealen. „Frömmigkeit“ in Form von unbedingtem Gehorsam ist das Ziel.

Die Mägde werden von den Tanten in einem Zentrum für ihre Aufgabe erzogen und vorbereitet.

Individualität hat nirgends was zu suchen

Banksys Bild einer Bibliothekarin, die eine Ausgabe vom Report der Magd als Wurfgeschoss bereithält. Hafuboti (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Librarian_Bomber.jpg), „Librarian Bomber“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Bei den Männern gibt es neben den Kommandanten noch Wächter, Augen und Engel. Augen sind Spione, die Verstöße und Verschwörungen gegen das System verhindern. Engel sind die Soldaten – sie stehen permanent im Krieg. Erfolgreiche Engel werden in Gemeinschaftszeremonien mit Töchtern verheiratet. Die Ehen werden arrangiert.

Die Vorgeschichte

Immer wieder greift die Erzählerin auf ihre Vergangenheit zurück. Die 80er Jahre in den USA, freizügiges Leben, eigenständiges Geld, die Ehe mit einem geschiedenen Mann, die gemeinsame Tochter, die peinlich unkonventionelle Mutter, die politisch engagierte Freundin.

Der Übergang nach der Ermordung des Präsidenten ging halb schleichend. Man gewöhnte sich an das, was – aus Sicherheitsgründen … – an Überwachung installiert wurde. Doch June, so hieß die Erzählerin wohl ursprünglich, und ihr Mann Luke wollen so nicht leben. Sie versuchen, zu fliehen, werden verfolgt und getrennt. Immer wieder gehen ihre Gedanken zu ihrem alten Leben, das nach ungefähr drei Jahren in der omnipräsenten frommen Überwachungsgesellschaft nur noch schattenhaft zurückzurufen ist.

Wie erzählt Margaret Atwod?

Großartig. Sie zieht mich direkt in die Geschichte hinein. Sie schafft eine ungeheure Präsenz. Dazwischen immer mal wieder ungewohnte Bilder. Poetische Schilderungen. Leitmotivische Wiederaufnahmen von Motiven.

Wir waren die Leute, über die nichts in der Zeitung stand. Wir lebten auf den leeren, weißen Stellen, an den Rändern. Das gab uns mehr Freiheit.

Wir lebten in den Lücken zwischen den Geschichten.

S. 80

Nachdem ich das Buch nun so lange gemieden hatte, habe ich es ruckzuck hintereinander weg gelesen.

Kuriosum am Rande

Für den Beitrag wollte ich mir ein bisschen seriöses Wissen rund um den Roman anlesen udn habe meine Studienausgabe von Kindlers Literaturlexikon bei Margaret Atwood aufgeschlagen. Die Ausgabe stammt von 1988. Das Buch von 1985. Es ist noch nicht darin aufgeführt …

Margaret Atwood: Der Report der Magd, übersetzt von Helga Pfetsch, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M., 1989, ISBN: 3596259878

Die Stadtbibliothek Köln hat natürlich verschiedene Ausgaben des Buchs im bestand.

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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