Eine neue Folge der Waringham-Saga von Rebecca Gablé – Hurra!
Kurz zum Inhalt: Die Familie Waringham ist zu Beginn der Geschichte gut situiert:
- Eine der Schwestern, Eleonor, arbeitet als das „Auge der Königin“ für Elisabeth I.
- Der älteste Bruder, Francis, lebt mit seiner Familie auf dem Sitz der Waringhams.
- Dort fühlt sich auch die jüngste Schwester, Isabella, wohl.
- Nur der jüngere der Brüder, Isaac, hadert mit seiner Situation; er lebt in London bei seinem Onkel Durham und gerät sich mit ihm ständig in die Wolle.
So ruhig und untypisch der Anfang. Das Unheil lässt nicht lange auf sich warten – der Erbe der Familie, Lappidot, ist an den Pocken erkrankt und erblindet. Deshalb soll Isaac aufs Land kommen, um als Erbe geschult zu werden, denn ein Blinder kann ja nicht Hof und Gestüt und Internat führen … Horror für den 14-jährigen Isaac. Deshalb schleicht er sich auf einem Schiff ein, in der Hoffnung, so auf den Kontinent zu entwischen. Doch das Schiff hat ein anderes Ziel. Bevor Isaac die neue Welt sieht, darf er erst einmal zwei Jahre als Sklave verbringen – eine Periode, die seine Ansichten prägt und ihm Freunde wie Feinde fürs Leben verschafft.
In London und Waringham weiß keiner, was aus Isaac geworden ist. Wut und Angst halten sich die Waage. Eleanor begegnet währenddessen der Liebe in Gestalt eines entfernen Verwandten mit ausgesprochen kriminellem Hintergrund. Auch ihr Beruf hält Herausforderndes für sie bereit: Für Elisabeth I, deren Milchschwester sie ist, reist sie nach Schottland zu Mary Stewart – ja, wir kennen sie unter Maria Stuart – und erlebt den Anschlag auf Darnley, Marys Gatten, hautnah mit.
Diese Anfangskonstellationen versprechen schon eine Menge Konfliktpotential, doch Rebecca Gablé wäre nicht Rebecca Gablé, wenn ihr nicht noch die eine oder andere Überraschung einfiele. Ihr Roman deckt einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren ab; politische Ereignisse von großem Gewicht fallen da rein:
- Mary Stewart wird abgesetzt, konspiriert unermüdlich und wird am Ende geköpft
- Spaniens König Felipe setzt die Armada gegen England ein und muss ihr Scheitern erleben
- die Streitigkeiten um die Neue Welt werden unter anderem auch mit Kaperfahrten ausgetragen: Francis Drake spielt auch mit 😉
Und wie üblich bei Rebecca Gablé frage ich mich, wie die realen Personen nur ohne die Waringhams klargekommen sind …
Außerdem schildert Rebecca Gable die konfessionellen Streitigkeiten – jede Seite sieht in der anderen Gefahr oder sogar Teufelswerk. Die Vorstellungen, die die Waringhams von „papistischen“ Riten haben, erscheinen mir sehr übertrieben, spiegeln aber die damalige Sicht. Und wenn man mal überlegt, dass der Vater der Waringham-Geschwister die katholische Königin Mary unterstützt hat …
Familiäre Schwierigkeiten der Waringhams sind auch wieder zu bestaunen – die unehelichen Geburten sind fast Legion 😉 Daneben spielen die unterschiedlichen Begabungen, die schon in den vorherigen Bänden aufgetreten sind, eine Rolle, mal mehr, mal weniger bedeutsam für den Handlungsverlauf: Pferdegespür, Wahrgesichte und Schauspieltalent – hier lernen wir dann Will Shakespeare kennen -, um nur ein paar zu nennen. Nicht nur die vier genannten Geschwister begleite ich auf ihrer tollen Fahrt durch ihr Leben, auch die jüngere Generation hat einiges zu bieten. Sie erinnern an den Namen Lappidot? Oh ja, der ist auch noch für manche Überraschung gut.
Es ist mal wieder ein toller Schmöker. Ich habe ja großes Vergnügen an Sprachspielereien. So hat Rebecca Gablé ein Wort erfunden, das sich am Englischen „to frown“ orientiert: „sie bekopfschüttelte ihn“. Ich hab sehr geschmunzelt.
Aber auch sonst zeigt sie, dass sie mit Sprache umzugehen versteht. Sie spielt mit sprachlichen Klischées und entgeht ihnen in einer hohen Zahl der Fälle. Bis auf einen oder zwei „Ausreißer“ wechselt sie nur zwischen der Sicht von Isaac und Eleanor. Und die Cliffhanger sind so konstruiert, dass Aufhören echt schwer fällt, bzw unmöglich ist.
Spannend finde ich, dass dieses Mal zwei Waringhams im Zentrum stehen und eine davon eine Frau ist. Auch der Umstand, dass die Krone von einer Frau getragen wird, macht sich bemerkbar – Schilderungen von Schlachten gibt es fast gar nicht. Aber keine Sorge: Isaac wird trotzdem so heftig malträtiert wie seine Vorgänger. Und kommt genauso schnell wieder auf die Füße.
Eine Besonderheit hat diese Rezension, denn ich habe das Buch über das Portal BloggdeinBuch gewonnen 🙂 Gleich beim ersten Versuch Glück gehabt.
Rebecca Gablé: Der Palast der Meere, Bastei Lübbe Verlag, Köln, 2015, ISBN: 9783431039269
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