Im Original lautet der Titel „Journal d’un corps“ – Tagebuch eines Körpers. Der deutsche Titel gefällt mir etwas besser. Im Original schwingt die Absicht des fiktiven Verfassers dieses Tagebuchs mit, sich nur auf die körperlichen Aspekte seines Lebens zu beschränken. Im deutschen Titel kommt zum Ausdruck, dass Daniel Pennac hier weit mehr im Blick hat.
Ich tauche ein in die Wahrnehmungen eines kleinen Jungen, dann fortschreitend in die des Pubertierenden, des jungen, mittelalten und alten Erwachsenen und zum Schluss des Greises. Dabei entsteht nicht nur ein solches „männliches“ Leben vor meine Augen mit Bemerkungen zu körperlichen Empfindungen und Äußerungen – vom gezielten Muskelaufbau über das, pardon, Rülpsen und Furzen, über Schmerzen, sexuelle Erfahrungen bis hin zu den Altersbeschwerden -, sondern auch ein Bild des Zeitgeschehens und eines im Großen und Ganzen erfüllten Lebens. Dabei reißt Daniel Pennac gewisse Bereiche wie das Arbeitsleben nur an – eine lakonische Bemerkung, er sei ständig unterwegs und viel beschäftigt, das ist alles. Die körperlichen Auswirkungen dieses Lebensstils nehmen dagegen breiteren Raum ein. Wirklich ausführlich sind die Menschen präsent, die ihm wichtig sind: Violette und ihre Familie, die den Sohn aus gutem Haus in ihren Kreis aufgenommen haben, der kranke Vater, die Mutter, Mona, seine Frau, die Kinder, die Schulkameraden im Internat, Fanche, die ihn „mein kleiner Knaller“ nennt, die Enkelkinder und Urenkel. Die Zeitläufte bedingen körperliche Veränderungen: die Kriegszeit, die Zeit der Résistance, der Wohlstand späterer Jahre.
Daniel Pennacc ist heir eingroßartiges Buch gelungen: unterhaltsam, ja,.+ aber auch spannend – wie erlebt der Mann seine Pubertät, wie reagiert er auf Schmerzen? Und wie kommentiert er es dann selber, später, in den Zwischenbemerkungen für seine Tochter Lison, die die Hefte nach seinem Tod erhält?
Ich konnte nicht aufhören mit diesem Buch – es hat mich völlig in den Bann gezogen. Daher ist es mit einem Zitat schwieirig – da muss ich mich ja so beschränken 😉 Aber gut – eine der kleinen „philosophieschen Betrachtungen“, mit denen der Tagebuchautor sich dem Alltag stellt:
Wir genießnen im Geheim Ausdünstungen, die wir öffentlich nicht zulassen. Genau dieses doppelte Spiel treiben wir auch mit unseren Gedanken, überhuapt durchzieht doppelte Buchführung unser ganzes Leben. (S. 200)
Thema ist klar, oder? Es geht um einen Furz :-).
Ich kann das Buch nur dringendst empfehlen.
Daniel Pennac: Der Körper meines Lebens, übersetzt von Eveline Passet, Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2014, ISBN: 9783462046199
Dieser Beitrag gehört zur Blogparade „12 Bücher in 12 Monaten„.
Eva Maria Nielsen
12. April 2014 at 20:49Tolle Idee, dieses Buch! Das macht das Lesen ja so schön, dass man in die Welt eines anderen Menschen hereinschlüpfen kann! Der Titel ist notiert!
Heike Baller
12. April 2014 at 21:10Es ist einfach nur toll – die Idee udn die Schreibe. Und die Geschichte selber ist ebenfalls spannend und berührend. Ich werde total euphorisch, wen ich an das Buch denke.
Angelika
13. April 2014 at 21:38Hört sich interessant an, werde ich mir mal besorgen!
Danke für die euphorische Besprechung!
Angelika
Heike Baller
14. April 2014 at 7:19🙂