Inhalt des Beitrags
Gleich der erste Satz von „Der König David Bericht“ kommt wie ein Bibelvers daher. Doch auch in dem Stil kann man Geschichten erzählen, wie die Bibel ja beweist. Und diese Geschichte hier ist äußerst spannend. Auf mehreren Ebenen.
Was erzählt Stefan Heymin „Der König David Bericht“?
Es geht um den Historiker Ethan aus Esrah, der einer Kommission zuarbeiten soll, die von König Salomo beauftragt wurde, einen verherrlichenden Bericht über seinen Vater David zu verfassen. Der vollständige Titel des Werks lautet:
„Der Erste und Einzige Wahre und Autoritative, Historisch Genaue und Amtlich Anerkannte Bericht über den erstaunlichen Aufstieg, das Gottesfürchtige Leben sowie die Heroischen Taten und Wunderbaren Leistungen des David ben Jesse, Königs von Juda während der Sieben und beider Juda und Israel während Dreiunddreißig Jahren, des Erwählten Gottes und Vaters von König Salomo“.
Zum Glück wird dieser Titel, der im Buch häufiger vorkommt, immer wieder abgekürzt – auch mit „Der König David Bericht“ ;-).
Dem Historiker und Schreiber ist sehr wohl bewusst, welch eine riskante Stelle er da angeboten bekommt. Und auch „daß der König Salomo alles bedacht hatte und daß es nicht möglich war, mich seiner Gunst zu entziehen.“
Seinen Blick auf das Objekt der bevorstehenden Studien macht er auch am Ende dieses ersten Kapitels deutlich: David war kein zu verehrender König. Ethans Ziel: Er will in kleinen Formulierungen des panegyrischen Textes die Schattenseiten des Sohnes von Jesse durchscheinen lassen. (Ist panegyrisch nicht ein wunderbares Wort? „Herrscherlob“ bedeutet das Substantiv „Panegyrik“ und seit der Erläuterung „Denken Sie an Brot und Gyros“ von „meinem“ Prof in den 80er Jahren, habe ich es nie vergessen.)
Ethan zieht also mit seiner Familie nach Jerusholayim – mit seiner geliebten Frau Esther, mit seinen zwei Söhnen und deren Mutter Hulda und seiner „Kebse“ Lilith. Natürlich sitzt er nicht allein an dem Mammutwerk – der Prophet Nathan (ja, genau der, der schon David die Wahrheit gesagt hat), der Priester Zadok, der Kanzler Josaphat und der Heerführer Benaja sind ebenfalls beteiligt. Die Frage, was man denn nun von David erzählen will, kann und muss, unterliegt verschiedenen Kriterien: Manches kann man nicht verschweigen, weil es in aller Munde ist. Anderes muss sorgfältig redigiert werden, denn der Vater des weisesten aller Könige, Salomo, David, kann ja nicht ein brutaler Schlächter, Ehebrecher und so fort sein.
Ethan sucht an verschiedenen Stellen nach den Informationen – so spricht er nicht nur mit Michal, der Tochter Sauls und ersten Frau Davids, und Bath-sheba, der Mutter Salomos, sondern auch mit Menschen in entfernten Gegenden, die den aufständischen jungen David gekannt haben und liest verborgen gehaltene Tontäfelchen mit Korrespondenzen. Schmeichelhaft ist das Bild nicht, das Ethan da zusammenträgt. Und politische Gefahren bergen die Informationen auch. Sowohl Benaja als auch Josaphat warnen ihn mehrfach. So wie Ethan David sieht, darf der Bericht nicht erscheinen. Er muss um sein Leben fürchten. Am Ende verliert er nicht nur seine geliebte Frau Esther an den – krankheitsbedingten – Tod, sondern auch seine „Kebse“ Lilith an Salomo – doch sein Leben darf er behalten.
Wann schrieb Stefan Heym das Buch?
Die Auseinandersetzung in „Der König David Bericht“ war nicht einfach eine nette Aufarbeitung biblischer Geschichten, sondern vor allem eine mit der Zeit, in der Heym lebte und arbeitete. Indem er sowohl die Herrschaft Davids als auch die seines Sohnes und Nachfolgers Salomo maskiert als Diktatur schildert, macht er deutlich, was solche Diktaturen ausmacht – u. a.., dass sich niemand mehr traut, seine Meinung offen zu äußern. Auch der Historiker nicht – der hier wohl auch für den Schriftsteller steht. Doch ist diese Wahrheit zu äußern, die Aufgabe von Autor*innen. Das ist die Überzeugung von Ethan – und wohl auch von Stefan Heym.
Da Stefan Heym, ein inzwischen amerikanischer Staatsbürger, in der DDR lebte, war dieses Thema für ihn sehr relevant. Für die, die das Buch als Zeitgenoss*innen gelsen haben, sind viele Anspielungen identifizierbar – ich lese nur darüber, dass da sowohl das Regime der DDR als auch der stalinstische Terror ihren NIederschlag gefunden haben.
Und der Stil?
Ich habe ja oben schon angemerkt, dass Stefan Heym hier biblische Sprache benutzt – in der Diktion Martin Luthers. Wären da nicht die rein erzählenden eher nüchternen Passagen könnte man den Text einfach so in eine Luther-Bibel stecken, überspitzt gesagt.
Ich hatte sehr viel Spaß an dieser Sprache – sie ist in ihrem übergestülpten Pomp so decouvrierend. Ich musste in bisschen an Thomas Manns „Der Erwählte“ denken“ – ein ähnlicher Ton, eine ähnliche ironische Distanz.
An mehr als einer Stelle habe ich laut gelacht – besonders aber an der, wo mitten in einem Satz die Formulierung „und der Zukunft zugewandt“ vorkommt.
Ja, „Der König David Bericht“ ist ein sehr politisches Buch. Und es bietet hohen Erkenntnis- und Unterhaltungswert.
Eine Kuriosität bei den Erscheinungsdaten
Offenbar hat Stefan Heym auf Englisch geschrieben – er war ja amerikanischer Staatsbürger, der aufgrund der poltischen Verfolgung als Kommunist in den USA in der DDR lebte. In der Erstausgabe bei Kindler von 1972, die mir vorliegt, heißt es im Impressum:
„Titel der amerikanischen Originalausgabe: The King David Report. Die Übertragung besorgte der Autor.“
Doch die amerikanische Ausgabe erschien erst 1973. Ebenso die Ausgabe in der DDR.
Ich habe ein bisschen nachzuforschen versucht, aber beim Kindler-Verlag liegt dazu nichts vor.
Hat Stefan Heym das englischsprachige Manuskript vorgelegt? Oder hat die Publikation in den USA so lange gedauert, weil ein Ozean dazwischenliegt?
Wie auch immer: „Der König David-Bericht“ ist lesenswert.
Stefan Heym. Der König David Bericht, Kindler, München, 1972, ISBN: 3463005085
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