Der Donnerstagsmordclub von Richard Osman

Der Donnerstagsmordclub von Richard Osman

Das hier ist der „erste und bisher beste Roman“ von Richard Osman – steht so im Klappentext. Große Worte! Inhalt: Menschen in einer Seniorenresidenz ermitteln bei Mord.

Was erzählt Richard Osman?

Eine neue Bewohnerin in der Seniorenresidenz Coopers Chase bekommt von einer Mitbewohnerin eine knifflige Frage vorgelegt, die ihr Fachwissen als Krankenpflegerin fordert: Wie lange dauert es bei einer bestimmten Verwundung, bis das Opfer verblutet ist – und wäre es zu retten gewesen? Nachdem sie diese Frage beantwortet hat, erfolgt die Einladung zum Donnerstagsmordclub. Hier treffen sich, mit ihr dann wieder, vier Leute, um alte Mordfälle durchzugehen und zu schauen, ob es nicht doch eine Lösung gibt.

Klingt harmlos.

Gleichzeitig steppt auf anderen Gebieten der Bär, denn der Betreiber dieser und weiterer Seniorenresidenzen will das Geschäft ausdehnen und hat weitere Projekte vor. Dazu gehört auch, dass der zu dem ehemaligen Kloster gehörende Friedhof der Nonnen verlegt werden soll. (Coopers Chase ist im ehemaligen Kloster.) Allen Protesten der Bewohner*innen und eines katholischen Pfarrers zum Trotz beauftragt Ian Ventham, besagter Besitzer, einem guten Kumpel namens Bogdan damit, die Verlegung des Friedhofs schon mal zu planen. Gleichzeitig hat er seinen bisherigen Kompagnon, Tony Curran, ausgebootet. Mitglieder des Donnerstagmordclubs haben ihren Streit von ferne gesehen. Kurz nach dieser Szene wird der Kompagnon ermordet in seinem Haus aufgefunden.

Als weitere „Gruppe“ spielt natürlich auch die Polizei eine Rolle. Donna De Freitas hat sich aus Liebeskummer aus London in diese ländliche Idylle versetzen lassen und leidet unter Langeweile. Als sie einen der regelmäßigen Infotermine in Coopers Chase abhält – sie soll dort über Enkeltrick und Ähnliches erzählen – lernt sie die Mitglieder des Donnerstagmordclubs kennen, denn die animieren sie, vom vorgesehenen Skript abzuweichen und andere Inhalte zu vermitteln, was allen sehr viel Spaß macht.

Ihr Vorgesetzter Chris Hudson ist der klassische übergewichtige, mittelalte Mann mit Komplexen und guter Nase für Verbrechen.

Richard Osman arrangiert die unfreiwillige Zusammenarbeit zwischen Polizei und Club sehr charmant. Chris Hudson wäre da, zumindest am Anfang, anderer Meinung 😉

Bei dem einen Mord bleibt es natürlich nicht …

Wer sind die Leute im Donnerstagsmordclub?

Besagte Krankenpflegerin im Ruhestand, Joyce. Eine freundliche alte Dame mit dem Talent, verschiedene Interessen zu versöhnen – und, wie sie in ihrem Tagebuch schreibt, sich selbst dabei nicht zu vergessen.

Elizabeth, ehemalige Geheimdienstangestellte. Sie hat einiges auf der Pfanne.

Ron, ehemaliger Gewerkschafter und Vater eines ehemaligen Berufsboxers. Ein kämpferischer und wortgewaltiger Mann.

Ibrahim, ehemaliger Psychotherapeut und Psychologe, mit einem Hang zur Perfektion sowohl bei Ernährung und Sport als auch bei der Beschaffung von Informationen.

Gründungsmitglied war Penny, eine ehemalige Polizistin, die nun völlig dement und pflegebedürftig auf der Pflegestation liegt.

Das sind keine alltäglichen Figuren. Und sie haben auch Fähigkeiten, Kontakte und Chuzpe, die ihnen die Beschaffung von Informationen aus den unwahrscheinlichsten Quellen ermöglichen.

Jede Figur hat eine eigene Geschichte, nicht selten tragisch, auch mal dramatisch. So fließen in die aktuellen Ermittlungen im 21. Jahrhundert auch Ereignisse aus den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts ein.

Wie erzählt Richard Osman?

Zum einen gibt es verschiedene Arten von Kapitel; das ist zum einen das Tagebuch von Joyce, in dem sie aus der Ich-Perspektive von den Ereignissen berichtet und sich so ihre Gedanken macht. Die Erzählfigur in anderen Bereichen lässt mich als Leserin aus den Augen der verschiedenen Personen blicken und ihre Emotionen mitbekommen. Das ist durchaus erhellend.

Was das Buch so lesenswert macht sind so einige Gedanken die Joyce oder auch die Erzählfigur über das Leben, über das Alter und über Werte äußert. Nein, nein, das sind keine moralinsauren oder larmoyanten Ergüsse, das ist spritzig und klug – einfach schön zu lesen.

Als erstes ist mir allerdings eine Alltagsbeschreibung aufgefallen:

… und stellt ein paar wegkullernden Erbsen auf ihrem Teller nach.

S. 22

Ist das nicht ein schönes Bild? Solche Perlchen gibt es immer mal wieder.

Insgesamt hat Richard Osman eine angenehme Art zu erzählen, was die Diskrepanz zwischen der Erwartung – Seniorenresidenz = Betulichkeit – und dem, worum es tatsächlich geht, natürlich erfreulich vergrößert. Das war eine gute Empfehlung aus meiner Buchhandlung 😊

Richard Osman: Der Donnerstagmordclub, übersetzt von Sabine Roth, List Verlag, , Berlin, 2021, ISBN: 9783471360149

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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