Death in Focus von Anne Perry

Death in Focus von Anne Perry

Wo ich ja gerade eine für mich neue Serie von Anne Perry entdeckt habe, hab ich mir sofort auch die nächste angeguckt ;-). Dieses Mal spielt sie in den 30-er Jahren – eine völlig neue Zeit für die Autorin …

Was erzählt Anne Perry?

Einerseits haben wir es – natürlich – mit einem Krimi zu tun. Es kommen reichlich Leute zu Tode. Der Geheimdienst spielt eine Rolle. Protagonistin ist die junge Elena Standish, die als Fotografin zu Beginn in Amalfi einen Wirtschaftskongress begleitet. Doch die Idylle in Amalfi ist bald zu Ende. Sie lernt dort Ian Newton kennen, Journalist – gelegentlich, wie er sich vorstellt – und verliebt sich. Obwohl er sie bei dem Mord im Hotel angelogen hat,, begleitet sie ihn auf eine Reise gen Paris. Alles sehr keusch … – sie sitzen den größten Teil der gemeinsamen Zeit im Zug. Doch dann wird Ian ermordet und enthüllt Elena, er sei vom MI6 und auf dem Weg nach Berlin, um den Mord an einem Nazi-Granden zu verhindern. Offensichtlich sei geplant, den Briten dieses Attentat in die Schuhe zu schieben. Bevor er stirbt, verspricht Elean, seine Aufgabe zu übernehmen. Schließlich kennt sie Berlin noch aus der Zeit, als ihr Vater Botschafter dort war.

Mit Hilfe eines Bekannten von Ian schafft sie es bis Berlin. Sie gibt bei einem alten Kollegen ihres Vaters in der Botschaft die Nachricht vom geplanten Attentat weiter. Dann ist die große Parade geplant, bei der das Attentat stattfinden soll. Elena mischt sich unter die Menge, beobachtet und fotografiert. Auch das Attentat und den Abtransport der Leiche. Zurück im Hotelzimmer findet sie ein Gewehr vor, das gerade benutzt wurde. Sie macht sich, nur mit Hand- und Kameratasche auf den Weg, weg aus der Gefahrenzone.

Nun folgt eine Flucht durch Berlin mit den verschiedensten Ingredenzien. Das Berlin, das sie in den 20-er Jahren kannte, gibt es nicht mehr.

Immer dazwischen gibt es Szenen um ihren Großvater. Er hat zu seinen Zeiten das MI6 geleitet, steht noch in Kontakt mit einem engen Mitarbeiter und ist auf dem Laufenden. Sein Sohn, der Diplomat, weiß genauso wenig von seiner Tätigkeit wie alle anderen. Vater und Sohn vertreten unterschiedliche politische Auffassungen, besonders in der Bewertung von Hitler.

Der eigentliche Inhalt

Was Anne Perry vor allem erzählt, ist die Stimmung im Berlin des Frühjahrs 1933; Elena ist auch Zeugin der Bücherverbrennung. Sie erlebt nicht nur die Demütigung jüdischer Menschen auf der Straße mit, sondern auch deren Verfolgung. Sie spürt die Spannung in der Luft, erfährt die Brutalität der Nazis am eigenen Leibe. So entsteht ein Bild des Klimas zu Beginn der Naziherrschaft – mit allen Aspekten: Verfolgung von Minderheiten, Hoffnung auf bessere Zeiten bei den vom Krieg noch immer gezeichneten Menschen durch Hitler, die Präsenz von Uniformen und die damit verbundene Atmosphäre der Bedrohung, die unterschiedlichen Auffassungen dessen, was diese neue Regierung wohl bringen mag. Dazu kommen die Gedanken jenseits des Kanals zu diesen Themen, dargestellt an Vater und Großvater von Elena.

Letztlich ist der Krimi und die Spionagegeschichte ein Vehikel, um die Gedanken von Anne Perry zu den Umwälzungen und Ideen der 30er Jahre zu präsentieren. Gerade die Überlegungen derer, die in Hitler ein mögliches Instrument sehen, um eigene Ideen zu verwirklichen – seien diese nun freiheitlich oder demagogisch motiviert – wirken ziemlich aktuell; die Tendenz, schwierigen Zeiten mit einfachen und undemokratisch anmutenden politischen Antworten zu begegnen kommt mir bekannt vor …

Wie erzählt Anne Perry?

Das Buch gibt es – noch – nur auf Englisch. Vielleicht sind mir deshalb die langen Passagen an Schilderungen von Stimmungen und Gedankenströmen so sehr aufgefallen. Andererseits hat diese Geschichte schon einen anderen Schwerpunkt als die bisherigen Krimis von ihr. Die Auflösung am Ende ist nur zum Teil überraschend – aber die Story hätte man auch kürzer darstellen können. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Darstellung einer Zeit im Umbruch – und deshalb sind die betrachtenden Passagen in der Überzahl.

Anne Perry: Death in Focus, Headline Publishing, Londo, 2019, ISBN: 9781472257277

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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