Inhalt des Beitrags
Die KI (künstliche Intelligenz) ChatGPT ist gerade in aller Munde. Ich hab sie jetzt mal gefragt, ob sie mir ein Haiku schreiben kann. Das hier ist unser Dialog vom 13.12.2022 – im Original waren die Haiku der KI tatsächlich in Versform:
Dialog mit ChatGPT über Haiku
HB: Schreibe bitte ein Haiku über den Mord an einem Mannequin
ChatGPT: Ein Mannequin tot – In der dunklen Gasse versteckt – Kaltes Herz des Mörders
HB: das sind keine 17 Silben, sondern 19
ChatGPT: Du hast recht, mein Fehler. Hier ist ein neues Haiku mit 17 Silben:
Mannequin ermordet – In der Nacht, still und leer – Ewiger Schlaf jetzt.
HB: Der Mord sollte einen inhaltlichen Bezug zum Beruf der Frau haben
ChatGPT: In diesem Fall könnte das Haiku so aussehen:
Mannequin-Modell – Lebte für die Mode-Welt – Jetzt ist sie fort für immer.
HB: Wo ist da der Mord?
ChatGPT: In dem Haiku, das ich gerade vorgeschlagen habe, ist der Mord nicht explizit erwähnt. Es geht eher um das Ende des Lebens des Mannequins und ihren Verlust für die Mode-Welt. Wenn du möchtest, dass der Mord explizit erwähnt wird, könnte das Haiku so aussehen:
Mannequin ermordet – In der dunklen Gasse – Ruhm und Schönheit verloren.
HB: Nun ja. Du hast dich bemüht – und behältst natürlich das letzte Wort, nicht wahr?
ChatGPT: Ja, natürlich behalte ich das letzte Wort. Es ist wichtig zu beachten, dass Haikus sehr kurze Gedichte sind und deshalb nur wenig Platz für detaillierte Beschreibungen bieten. Wenn du möchtest, dass ein Haiku über den Mord an einem Mannequin explizit den Mord thematisiert, könnte es so aussehen:
Blutige Gasse – Mannequin ermordet – Ewige Stille.
HB: Leider kann ich hier keine Verse posten. Deshalb: Mannequins Ende – Strass-Brosche zu tief gesteckt – eitle Eifersucht. Was meinst du dazu?
ChatGPT: Das klingt nach einem interessanten Haiku, das die Themen Eifersucht und das unerwartete Ende des Lebens des Mannequins aufgreift. Hier ist ein Vorschlag für ein Haiku mit ähnlichem Inhalt:
Mannequin ermordet – Eifersucht zerstört ihr Leben – Glitzernde Brosche.
HB: Dein Lob freut mich.
ChatGPT: Ich freue mich, wenn ich helfen konnte. Haikus sind eine faszinierende Kunstform und es macht Spaß, sie zu schreiben und zu lesen. Ich hoffe, dass du viel Freude an deinem Haiku hast. Wenn du noch weitere Fragen hast, zögere nicht, mich zu kontaktieren.
– Dialog am 13.12.2022
Eins muss man sagen – dieser Bot ist sehr höflich und entgegenkommend. Und er passt sich der Anrede an – eine Änderung zu meinem ersten Kontakt mit ihm: Da hat er mich trotz meiner Duzerei konsequent gesiezt …
Aber nun zu den Haiku der KI
Was genau hat ChatGPT da eigentlich gemacht?
Wie in meinen Haiku-Krimis im Adventskalender hier auf der Leselust für 2022 sind es drei Zeilen, mit vielen Lücken, die inhaltlich gefüllt werden müssen, um eine Geschichte zu ergeben. Dafür muss es eine inhaltliche Verbindung – und sei es nur eine entfernt gedankliche – geben.
Nehmen wir ein Beispiel von ChatGPT:
Mannequin ermordet – In der Nacht, still und leer – Ewiger Schlaf jetzt.
- Der vorgegebene Inhalt ist klar: Mord an einem Mannequin.
- Es gibt einen Zeitpunkt – Nachts.
- Es gibt eine Konsequenz – ewiger Schlaf.
Was haben die Nacht und der ewige Schlaf mit dem Mord am Mannequin zu tun?
Haben Sie was gefunden?
Ich nicht.
Es ist eine beliebige Assoziationsreihe:
Mord evoziert Nacht und Nacht wiederum im Zusammenhang mit Tod – aus Mord hervorgehend – den ewigen Schlaf. „Ewiger Schlaf“ klingt in Zusammenhang mit einem Mord eher unpassend. Okay, das ist Geschmackssache.
Alles andere bleibt offen – so offen, dass sich da keine Geschichte ergibt.
Bei der Variation mit „Ruhm und Schönheit verloren“ gibt es eine andere Assoziationskette, aber keine, die eine Handlung ergibt: Jede andere Person mit Ruhm und Schönheit hätte genauso ermordet sein können.
Bei meiner Nachfrage nach einem Krimi-Haiku kam das raus:
ChatGPT: Hier ist ein Vorschlag für ein Krimi-Haiku: Versteckt in der Nacht – Mannequin ermordet – Wer war der Täter?
Im Grunde war das allererste Haiku noch das beste – entsprach aber nicht der Form: 17 Silben. Da bin ich selber mit mir sehr streng und sehe nicht ein, einer KI da was durchgehen zu lassen 😉
Wir haben dann noch ein bisschen hin und her diskutiert. Dabei wurde noch mal deutlich, dass so eine KI auf Textbausteinen beruht – der Einwand, es sei schwierig komplexe Sachen in 17 Silben auszudrücken, kam immer wieder in fast identischen Formulierungen.
Zumindest meiner Meinung nach, erfüllt mein Haiku die Kriterien, die ich eben genannt habe:
- es gibt einen Zusammenhang zwischen Beruf und Tod
- es gibt ein Motiv
- es gibt eine Methode (okay, die mag jetzt unrealistisch sein – sei’s drum)
Mannequins Ende Strass-Brosche zu tief gesteckt. Eitle Eifersucht
Was meinen Sie?
Fazit
So eine KI kann schon sehr viel – das ist für mich erstaunlich gewesen. Aber Kreativität ist da nicht drin – ChatGPT stellt vorhandenes Wissen im Großen und Ganzen sinnvoll zusammen, kann aber nur auf Vorhandenes zurückgeifen und bestimmten Regeln folgen. Kreativität – sei es auf künstlerischem oder wissenschftlichem Gebiet – verlangt aber den Regelbruch. Wer also Wissen zu Haiku zusammentragen lassen will, kann die KI dazu befragen – Haiku zu schreiben, möchte ich nicht an so ein Programm delegieren.
Maike Claußnitzer
19. Dezember 2022 at 17:08Es beruhigt mich, dass deine Haiku auch künftig keine KI-Produkte sein werden, und die Überlegung, dass Kreativität den Regelbruch verlangt, finde ich interessant.
Heike Baller
19. Dezember 2022 at 17:11Aber Spaß macht das schon, mit dem Dingsda KI zu „reden“. Unendlich geduldig, immer freundlich …
Ich gaube, auch die so genannten Regelpoesie wird erst interessant, wenn sie mit den Regeln spielt.