Aurora Floyd von Mary Elizabeth Braddon

Aurora Floyd von Mary Elizabeth Braddon

Der Name Mary Elizabeth Braddon sagt Ihnen nichts? Dann fühl ich mich jetzt nicht mehr so allein 😉 Bis ich dieses Buch bekam, hatte ich von der Dame noch nie gehört. „Ein viktorianischer Krimi“ versteckt sich hinter dem gedeckt roten Cover mit dem Frauenprofil. Ich war gespannt.

Was erzählt Mary Elizabeth Braddon?

Die Geschichte von Aurora Floyd. Doch bis ich sie kennenlerne, geht es erst einmal um ihre Familie: Ihr Vater, ein reicher Bankier, der in der guten Gesellschaft Fuß gefasst hat, geht eine Ehe ein, die, wenn die Nachbarschaft alles wüsste, eine Mesalliance par excéllence wäre. Aber auch so vermutet man einiges. Die junge Frau, Schwester eines Seemanns, Darstellerin auf einer kleinen Schmierenbühne, ist schön – und passt sich in das neue Ambiente gut ein. Doch leider – sie stirbt kurz nach der Geburt ihrer kleinen Tochter Aurora. Die Jugend des verwöhnten Töchterchens rast an mir vorbei – alles scheint ihr erlaubt. Doch da ist der  Reitknecht, mit dem sie zu vertraut ist. Holterdipolter verschwindet sie gen Paris. Als sie nach einem guten Jahr zurückkommt, ist sie abgehärmt, ist der Vater abgehärmt. Auf seine  Frage „Ist er tot?“, kommt nur ein knappes „Ja“ – ohne irgendeine Erläuterung für mich als Leserin. Jetzt geht die Handlung erst richtig los.

Der Vater hat eine liebenswerte Verwandtschaft; eine Cousine, die schüchterne Lucy, schließt sich Aurora besonders eng an. Bei einem Ball tauchen zwei Männer auf, Freunde, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Mit dem strengeren von beiden verlobt sich Aurora. Er hört gerüchteweise, dass Aurora nicht die ganzen 14 Monate im Pensionat war und fragt nach. Die Verweigerung der Antwort führt zum Bruch – Aurora erkrankt schwer. Kurz und gut – sie heiratet nachher den anderen (Lucy bekommt zu ihrem großen Erstaunen tatsächlich den Mann ab, den sie liebt und verehrt – den ehemaligen Verlobten ihre Cousine). Aurora lebt mit ihrem Mann auf dem Land und alles ist gut – bis eine Nachricht Aurora aus der Bahn wirft. Ihre Vergangenheit holt sie ein. Dazu kommen in ihrem Haus zwei Personen, die ihr übel wollen. Alles ist da für eine schauerliche Geschichte.

Muss ich erwähnen, dass es einen Mord gibt? Und wer ist verdächtig?

Klar, Aurora.

Wie erzählt Mary Elizabeth Braddon?

Mary Elizabeth Braddon
So sah sie aus – Mary Elizabeth Braddon
Einfach zu sagen „viktorianisch“, würde dem Text nicht gerecht. Immerhin war sie zu ihrer Zeit eine Bestsellerautorin mit hervorragendem Ruf: Selbst bis in die deutsche Gartenlaube reichte ihr Ruhm. Sie schrieb in erster Linie Krimis und Gespenstergeschichten – eine davon hab ich sogar in der Stadtbibliothek Köln gefunden 🙂 Seit 2013 gibt es die Mary Elizabeth Braddon Association – wer also mehr über die Autorin und ihre Geschichten wissen möchte, kann dort mal stöbern.

Sie erzählt aus auktorialer Sicht – schlüpft also in die verschiedenen Personen. Und geizt nicht mit düsteren Anspielungen. Wäre es die Ich-Perspektive, könnte man ihr einen „Had I but known“-Stil attestieren.

Sie ist dabei auch humorvoll. So nimmt sie an einer Stelle die üblichen Romanschlüsse aufs Korn:

Jetzt, da meine beiden Heldinnen verheiratet sind, könnte der Leser meinen, dass meine Geschichte ihr Ende findet (…) Doch endet das wahre Leben immer auf den Altarstufen? (…) Und ist es notwendig, dass der Schriftsteller, nachdem er drei Bände der Beschreibung einer sechswöchigen Balz gewidmet hat, nur eine halbe Seite für die Erlösung reserviert? (S. 155)

Lucy, die scheue Cousine, mag Pferde nicht besonders:

Wenn der tägliche Besuch im Stall vorbei war und Lucy sich außerhalb der Reichweite der hochgezüchteten Hinterbeine befand, war sie froh. (S. 138)

Die Gedanken eines hübschen jungen Mannes lauten so:

Ich denke, dass Leute mit viel Geld und ohne Hirn zum Wohle von Leuten mit viel Hirn und ohne Geld erfunden worden sein müssen, sinnierte er. Und so schaffen wir es, unser Gleichgewicht auf der Wippe des Lebens zu halten (S. 180-81)

Manche Gemütsaufwallungsbeschreibungen mögen so sein, wie dieses Wort – doch meist schreibt Mary Elizabeth Braddon schlicht und verständlich und schafft so einen richtig spannenden Roman. Ich hatte wirklich Freude an dem Buch.

Mary Elizabeth Braddon: Aurora Floyd, ein viktorianischer Krimi, übersetzt und bearbeitet von Anja Marschall, Dryas Verlag, Frankfurt/Main, 2018, iSBN: 9783940855824

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

2 Comments

  • Maike Claußnitzer

    26. April 2019 at 22:41 Antworten

    Doch, Mary Elizabeth Braddon sagt mir sogar etwas! Ich habe vor Jahren ein anderes Buch von ihr gelesen, „Lady Audleys Geheimnis“, das auch eine Art viktorianischer Krimi und ziemlich spannend ist. Auf „Aurora Floyd“ hat mir die Rezension jetzt richtig Lust gemacht, das Buch kommt also auf die Leseliste.

    • Heike Baller

      26. April 2019 at 22:51 Antworten

      Freut mich.

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