Amy und die geheime Bibliothek von Alan Gratz

Amy und die geheime Bibliothek von Alan Gratz

Dies ist mein erstes Buch von Alan Gratz – per Empfehlung auf Twitter. Die Beispielseite, die @lesewahn da gezeigt hat, fand ich einfach „ssu ssu schön“: Gedanken einer Neunjährigen zu „Bibliothekswissenschaften“ 😉

Was erzählt Alan Gratz?

Amy hat ein Lieblingsbuch in der Schulbibliothek. Als sie es erneut ausleihen will, ist es verschwunden. Und nicht nur dieses Buch: Wie ihr die Bibliothekarin Mrs. Jones erzählt, hat der Schulausschuss dem Antrag von Eltern zugestimmt, „unpassende“ Bücher aus den Regalen zu nehmen. Das ist für Amy ein Schlag. Sie liest möglichst ständig – und zwar querbeet fast alles. Ihr Lieblingsbuch hat sie schon ganz oft gelesen und will es noch ganz oft lesen. Doch jetzt ist es aus der Bibliothek verbannt.

Amy sagt Mrs. Jones zu, vor dem Schulausschuss zugunsten ihres Buches zu sprechen. Schon in diesen ersten Seiten wird deutlich, dass Amy wesentlich rebellischer denkt als sie spricht und handelt. Das gilt auch – oder: besonders – für ihr Zuhause. Da sie die Älteste ist, muss sie Rücksicht auf die kleinen Schwestern nehmen – und auf die Befindlichkeiten der Eltern. Das nach außen klaglos zu tun, ist einfacher als Streit. Aber oft denkt Amy ans Weglaufen – so wie ihre Heldin aus ihrem Lieblingsbuch. Wie zu erwarten war: Das mit dem Sprechen vor dem Schulausschuss wird nix.

Dort wird beschlossen, weitere „unpasssende“ Bücher aus der Schulbibliothek zu verbannen. Dabei tut sich eine Mutter besonders hervor, ja, im Grunde ist sie es, die das Ganze ins Rollen bringt. Amy beschließt mit zwei anderen Kindern, genau diese verbannten Bücher allen zur Verfügung zu stellen. Dafür nutzt sie ihr Schließfach. So entsteht die „G.S. B.“ – die „Geheime Schlließfach-Bibliothek“.

Schließfächer und Schüler_innen - zu Amy und die geheime Bibliothek von Alan Gratz
Als Bibliothek kann Amy ihr Schließfach nur benutzen, wenn gerade nich so viel los ist …

Klar, am Ende geht alles gut aus – Spannung ist aber eine Menge drin! Dazu Gedanken zu Freundschaft und Solidarität, jede Menge Kreativität und einige Kröten, die Amy schlucken muss. Alan Gratz schafft rund um sein Thema der „banned books“ eine glaubwürdige Kinder- und Grundschulwelt.

Wie erzählt Alan Gratz?

Die Szene, in der Amy sich die Arbeit von Bibliothekswissenschaftlern vorstellt, ist einfach zu nett:

Zersauste Bibliothekswissenschaftler, die mit gigantischen, vor elektrischer Spannung knisternden Maschinen Bücher katalogisierten. Neu entdeckte Wörter, in Bechergläsern umhergeschwenkt von verrückten Bibliothekswissenschaftlern.

S. 34

Die ganze Geschichte ist aus Amys Sicht geschrieben. Sie ist eine etwas altkluge Neunjährige, was aber auch am vielen Lesen liegen kann. Gegen Ende des Buches verstärkt sich die Tendenz – nun ja, Amy trägt viel Verantwortung. Im Großen und Ganzen stimmen Stil und Inhalt aber gut überrein.

Worum geht es Alan Gratz?

Schon die Widmung ist deutlich: „Für alle Bibliothekarinnen und Bibliothekare dieser Welt“.

Im Nachwort – leider ohne Namensangabe – wird auf die Praxis der „banned books“ in den USA hingewiesen. Denn Alan Gratz hat sich da nicht irgendeine Horrorgeschichte ausgedacht: Dass Bücher aus Schulbibliotheken entfernt werden, ist in den USA gängige Praxis. Der Originaltitel ist übringens wesentlich weniger niedlich als der deutsche: „Ban this book!“ Ein Statement – gegen die „banned books“.

In den USA – und auch in anderen Ländern – sorgen bestimmte Gruppen mit ihren Weltanschauungen dafür, dass Bücher aus Schulbibliotheken verschwinden, die nicht in ihr Weltbild passen, sei es, dass da Zauberei vorkommt, sei es das Thema Sex oder seien es „unflätige“ Wörter … Und wenn man bedenkt, dass der Anteil von Schullbibliotheken in gerade angesächsisch geprägten Ländern viel größer und bedeutender ist als hierzulande, ist das ein tiefer Einschnitt in die Lesefreiheit. Jeden Herbst gibt es in den USA die „Banned Books Week“ – eine Aufklärungskampagne gegen diese Art von Zensur.

Ein paar Titel gefällig? Die Listen variieren von Land zu Land und von Zeit zu Zeit etwas. Ich habe diese beiden Listen genutzt: bei Goodreads und Banned Books in UK.

  • Das Tagebuch der Anne Frank
  • The Adventures of Huckleberry Finn
  • Alice in Wonderland
  • Animal Farm
  • Der Report der Magd
  • Madame Bovary

Da ich diese Praxis der verbotenen Bücher bereits kannte, war mir der Zusammenhang klar, auch bevor ich das Nachwort gelesen hatte. Für Kinder ist es eine Geschichte rund um die Magie des Lesens und das Recht, alles zu lesen, was man lesen möchte. Ich finde es sehr empfehlenswert.

Alan Gratz: Amy und die geheime Bibliothek, übersetzt von Meritxell Janina Piel, Hanser Verlag, München, 2019, ISBN: 9783446262119

Die Stadtbibliothek Köln hat den Titel als als Printversion und als E-Book.

Published byHeike Baller

Bis zum Morgen schmökern, Kissen nass weinen, bei der Bahnfahrt mal eben los gackern – das alles und noch einiges mehr bedeutet Lesen für mich. Naja, die Nächte lese ich nur noch selten durch, da melden sich doch zu penetrant die erwachsenen Bedenken in Sachen „Wecker am Morgen“ … Aber in der Bahn können Sie mich immer mal wieder grinsend oder kichernd erleben. Mit einem Buch vor der Nase. Da ich außerdem gerne mit anderen über das, was ich gelesen habe, diskutiere, habe ich dieses Blog gestartet. Leselust, das ist es, was mich antreibt, immer neue Bücher zu kaufen, zu leihen und vor allem zu lesen. – Vorlesen tu ich übrigens auch gern.

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