Der Bücherschrank hier in Dellbrück bietet mir ja immer wieder mal Spannendes oder Entspannendes. Mädchen- oder Kinderbücher von Federica de Cesco gehören eindeutig in die letztere Kategorie – und heute war da eins drin, das ich tatsächlich noch nicht kannte.
Die Geschichte handelt von Manuela – Überraschung! -. die sich nicht gerade mädchenkonform beträgt: Sie will Pilotin werden, sie kann Judo und sie kann sehr energisch reden, wenn ihr was wichtig ist. Zivilcourage ist ihr wirklich nicht fremd. Befreundet ist sie mit Simone und Thomas. Außerdem gibt es da noch Dani, einen eher verschüchterten Jungen, der gern dazu gehören will. Streit mit älteren Jugendlichen (Manuela und ihre Freundinnen sind 11 oer 12 Jahre alt) schweißt die kleine Truppe zusammen. Es gibt Abenteuer im Umland von Lausanne – und jede Menge Gespräche über die merkwürdige Welt, in der Erwachsene über Kinder bestimmen.
Nett – aber eigentlich keine eigene Rezension wert.
Mir ist da aber noch mal was bewusst geworden, was die Bücher von Federica de Cesco für mich als Teenager so spannend gemacht hat: Diese starken Mädchen, die ihren Weg gehen, gegen Normen ankämpfen und ihren Platz im Leben fordern.
Bei Manuela wird es auch verbal sehr deutlich, denn sie hat Eltern, die das Ideal einer gleichberechtigten Partnerschaft leben: Der Vater kocht, die Mutter ist Hauptverdienerin, so dass auch die in Aussicht stehende Arbeitslosigkeit des Vaters nichts Erschreckendes hat. Die Mutter bezeichnet Menschen, die Frauen nur an Herd und Bügelbrett sehen wollen, als Dinosaurier, die, wenn Manuela mal erwachsen sein wird, ausgestorben sein werden (leider zu optimistisch). Übrigens hat es mich eben erstaunt zu lesen, dass das Buch erst 1977 erschienen ist – ich hätte es nach dem Duktus für älter gehalten.
Solche Erwachsene wie Manuelas Eltern kommen bei Federica de Cesco öfter vor, z. B. in der Reihe um Emi und Tina, die mit ihren Freunden verschiedene Kriminalfälle lösen: In Tinas Familie ist ebenfalls der Vater der Koch und Hausmann. Diese Reihe gehört zu den Mädchenbüchern für Teenager – zwei junge Frauen mit Beruf und Selbstbewusstsein kommen, teils ungewollt, in der Welt herum und entlarven Betrüger und Diebe. Außerdem machen sie sich mit unterschiedlichen Vorstellungen von Frauenerollen bekannt und helfen einer Alterskameradin auch schon mal, diese zu überwinden.
Die meisten der Mädchenbücher von Federica de Cesco haben selbstbewusste, manchmal auch mystisch veranlagte junge Frauen als Heldinnen. Oft widerfährt ihnen ein Unrecht, nur weil sie weiblich sind und sie kämpfen dagegen an. Ein anderer wichtiger Teil der Bücher ist die Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen, denn entweder spielen die Bücher in exotischem Rahmen, oder es begegnen sich im Hier und Heute Menschen unterschiedlicher Herkunft:
- Tina ist Schweizerin, die sich mit der Japanerin Emi anfreundet und mit deren Bruder Kazuyuki ein Paar wird.
- Carrie, eine Engländerin, in „Die goldenen Dächer von Lhasa“, freundet sich im Internat in Darjeeling mit der Tibeterin Karma an und begleitet diese auf ihrer Reise in die Heimat – am Ende steht die Flucht aus Lhasa, wo die Chinesen eingefallen sind.
- In „Kel Rela“ lebt die junge Schweizerin Sonia aufgrund einer großen Liebe plötzlich in einem Tuaregstamm.
- In „Der Indianer in der 6b“ kommt der Vater des titelgebenden Jungen zu ethnologischen Studien von Nordamerika in die Schweiz – ein en passant gesetzter kleiner Seitenhieb gegen Eurozentrismus.
Autobiographische Elemente sind nicht zu übersehen: Federica de Cesco lebte selbst bei den Tuareg. Sie ist mit dem japanischen Fotografen Kazuyuki Kitamura verheiratet.
Auch wenn die Handlung der Mädchenbücher stark um die Liebe der jungen Frauen kreisen – Selbständigkeit des Denkens und Handelns, eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit dem Mann der Wahl und Kampf gegen Unrecht sind für die Bücher von Federica de Cesco unabdingbar. Da formuliert sie ein starkes Gegenbild zu den damals sonst üblichen Mädchenbüchern – ihr erster Titel erschien 1957!
Viele der Titel, die ich als Teenager gelesen habe, sind heute etwas modifiziert – wieder – auf dem Markt; ich hab da mal in eins reingeguckt – nun ja. Aber da „meine“ Titel so nicht mehr lieferbar sind, verlinke ich einfach mal zu Wikipedia, wo alle Titel von Federica de Cesco in chronologischer Reihenfolge aufgeführt sind, denn bibliographische Angabenfinde ich hier nicht sinnvoll – das titelgebende Buch ist nur noch antiquarisch zu bekommen.
Bisher gibt es noch keine Kommentare